Wildwood
Kette langer gelber Zähne zog sich quer durch sein Gesicht. Er fuchtelte mit der Pistole herum und zog den Moment genüsslich in die Länge. »Das werde ich auskosten. Das werde ich richtig auskosten.« Er kratzte sich mit dem Pistolenlauf an der Schnauze. »Vielleicht ist sogar eine Beförderung für mich drin – ich werde ein hochdekorierter Kriegsheld sein. Sergei, der Verräterjäger. So wird man mich nennen.«
»Bitte.« Curtis rutschte mit dem Rücken an einen Baumstamm. »Lass uns doch darüber reden. Du musst das nicht tun.«
»Oh doch«, verbesserte der Feldwebel. »Und wie ich das muss.« Er hielt die Pistole auf Armeslänge und zielte sorgfältig.
Curtis kniff die Augen zu und wartete auf den Schuss.
Plonk .
Das Geräusch kam ganz plötzlich, und Curtis blinzelte rasch. Noch ein Plonk . Der Kojote wurde von oben mit Pflaumen beworfen.
»Was zum Henker …?«, rief er und spähte in den Baum hinauf. Hinter einem gelben Laubvorhang tauchte die Schnauze einer Ratte auf.
»Hey, Köter!«, rief die Ratte fröhlich. Es war natürlich Septimus. »Hier oben!«
Aufgebracht hob der Kojote die Pistole und richtete sie auf Septimus – und da sah Curtis seine Chance. Er sprang auf und rammte den Feldwebel mit aller Kraft. Sein Kopf donnerte in den Bauch des
Kojoten, und Curtis spürte, wie sämtliche Luft daraus entwich wie aus einem Ballon. Mit einem lauten »Uff! « krümmte sich der Soldat, und gemeinsam gingen sie zu Boden. Curtis griff nach der Pistole. Doch kaum hatte sich der Kojote wieder etwas erholt, versuchte er, ihn mit allen Mitteln daran zu hindern. Mit den Hinterpfoten trat er Curtis in den Bauch, und seine Krallen ritzten schmerzvolle Kratzer durch die Uniform in seine Haut. Jetzt war der Kojote über Curtis und setzte mit einem verzweifelten Jaulen alles daran, die Waffe wieder in seine Gewalt zu bringen. Aber Curtis zog sie fest an sich; er spürte das kühle Metall des Laufs an seiner Wange.
PENG!
Curtis zuckte zusammen. War die Pistole in seiner Hand losgegangen? War er getroffen?
Der Kojote hatte die Waffe umklammert, doch jetzt lockerte sich sein starker Griff und seine Pfoten sanken herab. Curtis sah, dass seine Augen nach hinten in den Kopf gerollt waren und seine Zunge aus der Schnauze hing wie eine dicke Schnecke. Dann brach der Soldat leblos auf Curtis zusammen.
Curtis schob ihn von sich herunter, sprang auf und sah sich um. Zu seiner Verblüffung stand Aisling nicht weit entfernt, und aus dem Lauf ihrer Pistole stieg eine Rauchfahne. Auf ihrem Gesicht lag ein vor Schreck erstarrter Ausdruck.
»Ich …«, stammelte sie. »Ich … ich hatte … ich hatte sie noch nie benutzt.«
Aus den Zweigen des Pflaumenbaums ertönte ein Piff. »Und keinen Moment zu früh«, lobte Septimus.
Curtis, der den Schock des Mädchens nur zu gut nachfühlen konnte, ging zu ihr und nahm ihre Hand. »Danke«, sagte er. »Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre.«
Aisling lächelte verzerrt. »Na, siehst du«, meinte sie. »Gut, dass du mir die gegeben hast.«
Der Lärm der Schlacht hinter ihnen riss sie unvermittelt aus ihrem Gespräch. Sie warfen einander einen letzten, flüchtigen Blick zu, ehe Curtis zurück ins Getümmel stürmte. Aisling blieb reglos neben dem Baum stehen und starrte auf die Pistole in ihrer Hand.
Die Schlacht hatte eindeutig eine negative Wendung genommen. Prue stand auf der obersten Stufe der uralten Treppe und sah weitere Kojotentruppen von der gegenüberliegenden Seite hereinströmen. Ein kleiner Teil von Cormacs Einheit war an der Kante dieses Hangs aufgetaucht und wurde von der Übermacht der Kojoten immer weiter rückwärts gedrängt. Binnen kurzem wurden sie auf die mittlere Ebene getrieben, wo sie sich wieder mit Brendans Leuten vereinten. Doch beide Einheiten waren stark dezimiert. Zudem waren sie dort eingekesselt und damit hoffnungslos von Sterlings Truppe getrennt, die über den Grat des südlichen Hangs gezwungen worden war.
Die Gouverneurin sah den Augenblick gekommen. Sie lenkte ihr Pferd durch das Meer von Kämpfern auf jene Stufen zu, die zur
obersten Ebene führten. Als Brendan das bemerkte, rief er einigen Räubern, die an seiner Seite fochten, etwas zu; zusammen kämpften sie sich in die Richtung, die Alexandra eingeschlagen hatte.
Prue sah nicht, wie es passierte – alles ging viel zu schnell und chaotisch, um Genaueres zu erkennen. Doch in den wenigen Sekunden, die Brendan benötigte, um vor Alexandras Pferd aufzutauchen, war irgendwo in weiter
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