Wildwood
Irgendein Schaden am Zauber. Diese verdammten Nordwalder. Rückständige Idioten!« Er schnippte mit den Fingern, und ein Gehilfe huschte herbei. Aus dem Mundwinkel zischte der Attaché seine Anweisungen: »Besorgen Sie mir ein 45-Schrägstrich-C-Formular – das müssten sie unten in der Buchhaltung haben – und richten Sie dem Minister für Äußere Angelegenheiten aus, dass ich sofort eine Unterschrift brauche. Oder noch besser: Wenden Sie sich an das Amt für Nordwaldbeziehungen und melden Sie, dass …«
Prue, die sich wieder etwas erholt hatte, fiel ihm ins Wort: »Herr Attaché, ich habe ein ernsthaftes Problem.«
Der Mann lachte Prue nervös an. »Mademoiselle, Sie sind das ernsthafte Problem.«
Doch Prue fuhr unbeirrt fort: »Mein Bruder Mac wurde gestern von Krähen entführt. Ich habe gesehen, wie sie ihn in den Wald gebracht haben. Nach Wildwald.« Staunend lauschte die Menge in der Halle. »Und ich würde ihn einfach wirklich gern zurückholen.« Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen. »Und ich verspreche Ihnen, Hand aufs Herz, dass ich nie wieder herkomme, wenn ich ihn nur mit nach Hause nehmen kann.« Zur Bekräftigung legte sie ihre rechte Hand auf die linke Brustseite. »Ehrenwort.«
Immer noch verharrte die Menge in Schweigen, während der Attaché sie mit großen Augen ansah. Schließlich beugte sich der Gehilfe zur Seite und flüsterte dem Mann etwas ins Ohr. Der Attaché nickte wortlos, ohne den Blick von Prue abzuwenden. »Also gut«, sagte er nach einer kleinen Ewigkeit. »Da Sie sich in einer besonderen Lage befinden, werden wir sehen, ob wir Sie einschieben können. Folgen Sie mir.«
Die Umstehenden traten zur Seite, und der Attaché schritt Prue voran die Stufen hinauf.
Obwohl im Bau der Gouverneurswitwe keine Uhren hingen, wusste Curtis, dass der Vormittag sich bereits dem Ende zuneigte, nachdem er in seiner neuen Aufmachung ausgiebig herumstolziert war. Gewaltig und theatralisch wie die verwegenen Dragoner, die er aus Filmen und Büchern kannte, hatte er mit seinem Säbel Hiebe und Paraden geschlagen. Die Orden auf seiner Brust klimperten herrlich bei jeder Bewegung, und wenn er die Klinge durch die Luft sausen ließ, gab sie ein fantastisches Zischen von sich. Der Kojote, der offenbar an exzentrische Herrschaft gewöhnt war, wartete geduldig neben dem Thron und zuckte nur gelegentlich etwas bei einem von Curtis’ wilden Manövern.
»Sehr gut«, sagte er schließlich, als Curtis’ Energie allmählich nachließ. »Sie sind ein begabter Fechter. Für einen Pazifisten .«
Curtis stand mitten im Raum und bohrte die Füße in die Erde.
»Na ja, ich würde niemals, Sie wissen schon, mit jemandem kämpfen .« Er keuchte noch leicht. »Aber …«, fuhr er fort. »Finden Sie wirklich?«
»Sicher doch«, sagte der Kojote.
»Es ist schon ein bisschen anstrengend, was?«, fragte Curtis. Er führte einen letzten Stoß, dann ließ er den Säbel an die Seite sinken und massierte sich den Arm mit der freien Hand.
»Sie werden sich daran gewöhnen«, sagte der Kojote.
Curtis beäugte das Tier misstrauisch. »Wie heißen Sie?«
»Maksim.«
»Maksim?« Curtis drehte den Säbel in der Hand. »Ihr habt echt komische Namen.«
Maksim zog nur eine Augenbraue hoch.
»Was machen Sie hier denn so, Maksim?«, wollte Curtis wissen.
»Ich bin der Adjutant der Gouverneurin. Ich wurde beauftragt, Ihre Eingewöhnung zu beaufsichtigen.«
»Meine Eingewöhnung.«
»Ja«, erwiderte der Kojote. »Die Gouverneurin hat offenbar große Pläne mit Ihnen.«
Diese Auskunft musste Curtis sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen. »Wo ist die Gouverneurin?«
»Im Feld«, sagte Maksim. »Sie erwartet Sie.«
»Feld?«, fragte Curtis. »Was ist das Feld?«
Maksim ignorierte die Frage. »Ich habe den Auftrag, Sie zu wecken, anzukleiden und zu ihr zu schicken, sobald Sie bereit sind.« Er machte eine Pause. »Sind Sie bereit?«
Curtis räusperte sich und nickte. »Schätze schon.« Und dann sagte er so erwachsen wie möglich: »Gehen Sie voran, Maksim«, und schob den Säbel in die Scheide an seinem Gürtel.
Auf dem Weg nach draußen bemerkte Curtis, dass der Bau im Vergleich zu dem Durcheinander des Vortags seltsam leer wirkte: Es fehlten die ganzen Kojoten, die sich um den Kessel gedrängt und die beim Exerzieren die Pfoten auf den Erdboden getrommelt hatten. Ein paar Soldaten waren zwar damit beschäftigt, Wände auszubessern und Brennholz zu schleppen, aber abgesehen davon waren die
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