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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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beiden Soldaten trennten sich und löschten nacheinander die Fackeln an den Wänden, bis die Höhle in völliger Dunkelheit lag. »Gute Nacht, ihr Penner!«, rief der Wärter und ging.
    Sobald er weg war, drückte Cormac das Gesicht an die Gitterstäbe und flüsterte in die Runde: »Eins sag ich euch, solange Brendan, unser Kamerad und König, am Leben ist, wird Wildwald eines Tages frei sein. Das schwöre ich.«
    Die Gefangenen antworteten mit einem leisen Jubelruf.
    »Er holt uns hier raus«, zischte Cormac. »Er kommt, und dann brandschatzen und prügeln wir uns den Weg hier raus. Verlasst euch drauf. Und kein Hundesoldat und keine Gouverneurswitwe wird uns daran hindern.«

SECHZEHN
Der Flug · Ein Treffen auf der Brücke
    P rue flog.
    Das Gefühl war unglaublich .
    Sie war zwar schon in Flugzeugen geflogen, aber das war etwas ganz anderes gewesen, viel steriler, nicht so unmittelbar wie jetzt. In einem Flugzeug wurde im Vergleich dazu nur eine Illusion vom Fliegen erzeugt – mit den spürbaren Mühsalen der Schwerkraft und den fernsehergroßen Fenstern, die Bilder von flauschigen
Wolken und winzigen Städten übertrugen. Es war nicht zu vergleichen mit diesem Erlebnis, diesem wahren Gefühl des Schwebens: der Himmelskuppel über ihr, dem ausgedehnten Grün des Waldes unter ihr. Ihre Arme waren nun fest um den weichen Hals des Generals geschlungen, und ihre Füße hatten Halt an der Stelle gefunden, wo die Schwanzfedern des Adlers von seinem Körper ausfächerten. Mit jedem Flügelschlag spürte sie seine kräftigen Rückenmuskeln. Die kalte, feuchte Morgenluft wehte ihr Haar nach hinten und trieb ihr Tränen in die Augen. Das Morgenlicht hatte sich inzwischen durchgesetzt und umkränzte die Wipfel der Tannen mit einem goldenen Schimmer. Der Horizont brannte rosig und hell; in der Ferne war eine Wolkenbank zu erkennen, vielleicht als Vorbote eines Gewitters.
    Der Wald unter ihnen war mit zahllosen großen und kleinen Nestern getupft. Manche davon waren aufwändig angelegte, mehrstöckige Gebilde, die die obersten Zweige des jeweiligen Baums mit Horsten, Unterschlupfen und Landeplätzen verbanden. Viele der Nester sahen zwar aus wie gewöhnliche Drosselnester aus Stroh und kleinen Zweigen, aber andere überspannten ganze Äste, mit Wänden aus dicken Holzstücken und einem Boden, der mit glattem grauem Lehm verputzt war. Mehrere Zedern überragten die umstehenden Tannen, und Prue konnte sogar ganze Städte aus Schwalbennestern erkennen, die sich an die Baumrinde schmiegten – eine schwindelerregende Ansammlung kleiner Behausungen. Es war Frühstückszeit, und von oben waren in den kleinen Eingangslöchern
die gereckten Schnäbel der erwartungsvollen Küken zu sehen. Je später es wurde, desto mehr belebte sich der Luftraum über dieser einzigartigen Nestmetropole: Vögel aller Größen und Gefieder flatterten in und aus der dichten Baumdecke und trugen Würmer und Käfer, Zweige und Gras zu ihrer hungrigen Brut.
    »Es ist wunderschön!«, rief Prue.
    »Die beste Art, sich das Fürstentum anzusehen!«, gab der General zurück. Der starke Wind peitschte laut um sie herum; es war schwierig, den Lärm zu übertönen. »Aus der Luft!«
    Plötzlich ging der General in Schräglage und schoss diagonal nach unten, um die Baumwipfel herum. Prues Magen sackte ab. Sie quiekte auf, als sie fühlte, wie die frischen grünen Triebe der gewaltigen Tannen ihre Knie streiften. Ein Schwarm halbwüchsiger Wanderfalken reihte sich auf seinem kleinen Morgenflug im Windschatten des Generals ein und machte sich einen Spaß daraus, ihn zu jagen, ihm immer mal wieder vor den Schnabel zu segeln und ihn zu piesacken, damit er schneller flog und sie abschüttelte.
    »Bin auf einer wichtigen Mission, Jungs«, rief der General. Aber sie ließen nicht locker; sie spielten mit ihm, bis er tief Luft holte, Prue noch mal »Festhalten!« einschärfte und sich jäh hoch in die Luft schraubte. Mitten im Flug verharrte er kurz – dann sauste er kopfüber in das dichte Laub des Waldes hinab. Prue schrie und klammerte sich fest an seinen Hals. Doch der Adler fing den Sturzflug geschickt ab und setzte seinen Weg durch das verschlungene Dickicht der Äste
fort. Meisterlich umflog er die Hindernisse aus tief hängenden Zweigen. Und obwohl die Wanderfalken ihr Bestes taten, um mitzuhalten, vergingen keine fünf Minuten, bis sie ihre Verfolgung aufgeben mussten. Sobald sie abgedreht hatten, legte der Adler die Schwanzfedern an, stieg wieder hinauf und

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