Wildwood
genau.«
»Richtig «, sagte Alexandra und beugte sich vor. »Prue, hör mir zu. Ich bin die Kraft des Guten in diesem Land. Ich bin diejenige, die alles wieder in Ordnung bringen kann. Lass die Südwalder und die Vögel einander bekriegen und gegenseitig einsperren, Argwohn mit Argwohn bekämpfen – ich werde sie beide in die Knie zwingen. Der Konflikt hat seinen Höhepunkt erreicht, niemand ist mehr sicher, bis der gesamte Wald wieder einer vernünftigen Führung untersteht. Meiner Führung.« Sie lehnte sich wieder zurück. »Wenn du von meinem Sohn weißt, dann weißt du auch von meinem Mann, meinem verstorbenen Mann Grigor. Wir herrschten gemeinsam, alle drei, in Harmonie. Unser Grundsatz lautete: Freiheit und Redlichkeit unter
allen Bewohnern des Waldes. Erst nach dem Tod meines Mannes und meines Sohnes geriet dieses Verhältnis außer Kontrolle. Und es ist meine Absicht, diese Harmonie wiederherzustellen.«
Prue nickte wortlos.
»Aber diese Dinge sollten ein Mädchen deines Alters nicht kümmern, erst recht nicht, wenn es aus der Außenwelt kommt«, sagte die Gouverneurin. »Ich kann dir versichern, Prue, dass wir uns durchsetzen werden. Wir werden siegen. Und wir werden deinen Bruder zu dir und deiner Familie zurückbringen. Du kannst heute in dem Wissen nach Hause gehen, dass ihr bald wieder vereint sein werdet.«
Prue nickte erneut. Ihre ganze Welt schien sich um sie herum zu drehen, um die eigene Achse zu kreisen; oben war unten, rechts war links. Es war, als wäre urplötzlich alles umgepolt. »Okay«, sagte sie.
Während Curtis auf Nachricht von Septimus wartete, ging er unruhig auf und ab. Seine Nervosität weckte das Interesse seiner Mitgefangenen, und sie tauschten sich im Flüsterton über Prues mögliches Schicksal aus.
»Die ist geliefert, darauf könnt ihr euch verlassen«, raunte Seamus.
»Ja«, pflichtete Angus bei, »sie ist Futter für die Geier, garantiert. Die werden sie am höchsten Baum aufhängen und den Vögeln den Rest überlassen.«
»Ach, viel einfacher«, mutmaßte Cormac. »Wenn ihr mich fragt, dann läuft das auf eine schnelle Enthauptung raus. Zack. Vorbei.«
Curtis blieb stehen und funkelte die Räuber einen nach dem anderen böse an. »Kommt schon. Jetzt mal im Ernst.«
Brendan stieß ein leises Lachen aus, die erste erkennbare Gefühlsregung seit seiner Ankunft. »Macht euch mal locker, Jungs«, sagte er. »Ihr macht den Kleinen noch völlig fertig.«
Das Geräusch von über Holz schabenden Krallen kündigte Septimus’ Rückkehr an. Er huschte aus einem Riss im Wurzelballen und hüpfte auf Curtis’ Käfigdach.
»Und?«, fragte Curtis. »Was hast du gesehen?«
Die Ratte war ziemlich außer Atem und so dauerte es einen Moment, bis sie sprechen konnte. »Sie ist da … im Thronsaal … ich hab sie gesehen … schwarzhaariges Mädchen … sieht ziemlich mitgenommen aus.«
»Mitgenommen? Was soll das heißen? Haben sie ihr wehgetan?«
Da meldete sich Brendan aus seinem Käfig. »Sie hat eine geprellte Rippe und einen verstauchten Knöchel, glaub ich. Einer von uns hat sie sich im Lager angesehen. Ich hab doch erzählt, dass sie abgestürzt ist, mit einem toten Adler. Natürlich sieht sie da ziemlich mitgenommen aus.«
Septimus nickte. »Sie haben sich vor allem unterhalten. Ich konnte nicht viel hören – in der Haupthalle nebenan war so viel Lärm –, aber es klang, als wollte die Gouverneurin sie gehen lassen.«
»Wie bitte?« Curtis war geschockt.
Einer der Räuber murmelte: »Hätte ich nicht gedacht.«
»Ja, ehrlich«, sagte Septimus. »Sagt, sie weiß nicht, wo ihr Bruder ist, aber sie würde nach ihm suchen. Sie lügt wie gedruckt.«
Curtis war empört. »Jemand muss es ihr sagen! Septimus! Du musst Prue sagen, dass das alles überhaupt nicht stimmt!«
Septimus war bestürzt. »Ich? Soll rumbrüllen, dass die Gouverneurin eine Lügnerin ist? Du machst wohl Witze. Ich würde schneller an einem Kojotenspieß über dem offenen Feuer braten, als du ›Rattenragout‹ sagen kannst. Und deine Freundin würde hier drin landen. Oder Schlimmeres …« Er zog den Finger quer über seine Kehle.
»Aber, sie würde …«, wandte Curtis ein. »Ich meine … wir können sie damit doch nicht einfach durchkommen lassen!« Er hatte ganz vergessen, seine Stimme zu dämpfen, und hörte nun den Wärter im Halbschlaf laut brummen: »Ruhe da oben!«
Aufgebracht sah Curtis nach unten. »Und was wollen Sie machen, hä?«, rief er. »Mir das Abendessen streichen? Das
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