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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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habe ihm mitgeteilt, dass die Habsburger Monarchie »sonst in Stücke gehen« werde, wenn Wien jetzt nicht »freie Hand gegen Serbien« habe. Wilhelm fügte eine Randnotiz an: »Es kann der Europ[äische] Krieg werden und für uns event[uell] ein Existenzkampf mit drei Großmächten; es kommt darauf an, dass wir über [die Positionen von] London und Paris ein klares Bild erhalten.« 17
    Hier wurde ein Thema angesprochen, das die Stellungnahmen und Argumente vom Juli 1914 bereits vorwegnahm. Gegen Ende November 1912 war Wilhelm allem Anschein nach zunehmend überzeugt, dass der österreichische Wunsch nach einer entscheidenden Abrechnung mit den Serben legitim sei. Seine Bereitschaft, eine deutsche Intervention zu unterstützen, war jedoch an zwei Bedingungen geknüpft: erstens musste Österreich die angegriffene Partei sein, und zweitens durfte keine Gefahr bestehen, dass andere, nicht beteiligte Mächte intervenierten. Somit hing alles von der Haltung der Westmächte, insbesondere Großbritanniens ab. In einer Note an Kiderlen-Wächter vom 21. November stellte Wilhelm mit Befriedigung fest: »Aus ganzer Europ[äischer] Presse – besonders der Englischen – geht hervor, dass allgemein Österreich als der Provocirte Theil [sic!] angesehen wird.« Er fügte hinzu, dass er bereit wäre, einen deutschen Beistand gutzuheißen für den Fall, dass russische »Gegenmaßregeln oder Vorstellungen erfolgen, welche Kaiser Franz Joseph zwingen, den Krieg zu eröffnen«. Aber diese Zusage war dennoch an eine Bedingung geknüpft; ein ausdrücklicher Verweis auf seine früheren Anweisungen vom 9. November machte deutlich, dass er immer noch unter keinen Umständen »wegen Albanien gegen Paris oder Moskau marschieren« werde. Die deutschen Botschafter mussten folglich dringend ausloten, ob »Paris unter solchen Umständen unbedingt sogleich mit Russland geht und auf welche Seite England sich stellt«. 18 Bei einer Geheimkonferenz mit Erzherzog Franz Ferdinand und anderen hohen, österreichischen Vertretern am 22. November wiederholte Wilhelm seine Bereitschaft, einen Krieg gegen Russland wenn nötig in Kauf zu nehmen, wies allerdings auch nachdrücklich darauf hin, dass es beim derzeitigen Rüstungsstand der russischen Armee äußerst unwahrscheinlich sei, dass ein isoliertes St. Petersburg einen solchen Konflikt riskieren werde. 19
    Wilhelms Haltung wich folglich von der des deutschen Generalstabschefs Helmuth von Moltke ab, der damals bereits ganz offen von einer »tatkräftigen offensiven Aktion parallel mit der unsern« schwärmte, bei der die Niederwerfung Frankreichs oberste Priorität haben müsse. 20 Im Gegensatz zu Moltke, der offenbar aktiv, wenn auch mit Unterbrechungen, einen Kontinentalkrieg herbeisehnte, hatte Wilhelm einen lokal begrenzten Krieg vor Augen, dessen Ausweitung verhindert werden musste. Es wäre jedoch falsch, aufgrund seiner Äußerungen gegenüber den Österreichern Ende November den Schluss zu ziehen, dass er das Risiko eines Krieges begrüßt hätte. Im Winter 1912 war es nämlich so gut wie unvorstellbar, dass die Briten und Franzosen für die Durchsetzung serbischer Ansprüche in den Krieg ziehen würden, die gemeinhin als unverschämt, überzogen und unhaltbar angesehen wurden. 21 Unter diesen Bedingungen war es auch extrem unwahrscheinlich, dass die Russen, deren Unterstützung für die serbische Position in Wirklichkeit äußerst wankelmütig war, ihrerseits einen Angriff Österreich-Ungarns riskierten. Mit anderen Worten, Wilhelm konnte mit einem sehr geringen Risiko diese Zusage machen – tatsächlich wäre mit Blick auf die Sicherheit der Schaden womöglich noch größer gewesen, wenn man die Zusage verweigert hätte.
    Wie sich zeigte, waren Wilhelms Reaktionen auf die Krise für den eigentlichen Verlauf der Ereignisse eher irrelevant. Die Anweisung, die Haltung in Paris und London zu sondieren, wurde missachtet, und die Zusage an Franz Ferdinand wurde durch offizielle Signale seitens Bethmann Hollweg und Kiderlen-Wächter (der sogenannte »kalte Wasserstrahl« vom 25. November 1912) aufgehoben, dass die deutsche Regierung eine gemeinsame Lösung der Balkankrise durch die Mächte vorziehen würde. 22 Wilhelm akzeptierte diese Umorientierung der Politik. Anfang Dezember hatten die Serben eingewilligt, sich an die Beschlüsse einer Botschafterkonferenz in London zu halten, und die Russen bestanden nicht länger auf einem serbischen Korridor zur Adria. Die Konflikte, die im Ersten Balkankrieg

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