Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)
ihm versicherte, dass seine (Ludendorffs) völkische Bewegung gegen »Jesuiten, Juden und […] Freimaurerei« kämpfte, da schrieb Wilhelm bitter an den Rand: Ludendorff sei es doch gewesen, »der die Nerven in Spa verlor « und habe »damit den Stein der Revolution ins Rollen gebracht«. 88 In seinen Schuldzuweisungen war Wilhelm, wie in allen Dingen, opportunistisch, selbstgerecht und inkonsequent. Seine abscheulichen Äußerungen über Juden waren zu eng mit den Versuchen der Selbstentlastung verbunden, um in eine feste Weltanschauung oder einen Aktionsplan zu münden. »Zum ersten Mal schäme ich mich, ein Deutscher zu sein«, bemerkte er etwa, als die Meldung von dem organisierten »Pogrom« gegen Juden und ihren Besitz im November 1938 das Haus Doorn erreichte. Vor seinem Gefolge erklärte er, dass »alle aufrechten Deutschen« gegen die NS-Verfolgung protestieren müssten. 89
Der ausgeprägte Egozentrismus des Exkaisers erklärt nicht zuletzt, weshalb er sich nie so recht für die nationalsozialistische Bewegung begeisterte. Mindestens bis zum Jahr 1934 träumte Wilhelm noch von seiner eigenen Wiedereinsetzung, und zwar mit einer Machtfülle, die er in Wirklichkeit niemals besessen hatte. Der Hitlerputsch von 1923 ließ ihn schon deshalb kalt, weil er darin eine Verschwörung der Wittelsbacher sah, um die Hohenzollern durch die bayerische Dynastie auf einem wiederhergestellten Kaiserthron abzulösen. Während der ganzen zwanziger Jahre trafen sich Personen aus dem Gefolge in Doorn immer wieder mit Vertretern eines losen Netzwerks konservativer und monarchistischer Gruppen in der deutschen Republik. Ende der Zwanziger wurden dann die informellen Kontakte zur NS-Bewegung intensiviert: Wilhelms jüngster Sohn August Wilhelm trat 1928 in die SA ein, nachdem er den Exkaiser zuvor um Erlaubnis gebeten und sie erhalten hatte. Die zweite Frau Wilhelms, Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath hatte in hohen Parteikreisen Freunde und nahm 1929 am Nürnberger Parteitag teil. Der Zusammenbruch des konservativen Blocks und der spektakuläre Erfolg der Nationalsozialisten bei den Wahlen von 1930 spornten die Anhänger einer Restauration der Monarchie in Doorn an, ganz offiziell Tuchfühlung mit der Hitlerbewegung aufzunehmen. Das Ergebnis war ein Treffen zwischen Wilhelm und Hermann Göring im Januar 1931 in Doorn. Es ist kein Protokoll von dieser Begegnung erhalten (falls überhaupt eines geführt wurde), aber es hatte den Anschein, dass Göring sich positiv zu der Aussicht einer Rückkehr Wilhelms nach Deutschland in der Zukunft äußerte. 90
Trotz dieser wohlwollenden Signale – es folgten vielversprechende Äußerungen Hitlers und eine zweite Begegnung mit Göring im Sommer 1932 91 – blieb Wilhelm skeptisch gegenüber der Entschlossenheit des „Führers“, die Monarchie wiederherzustellen, und das mit gutem Grund. 92 Es handelte sich um eine Partnerschaft ohne Zukunft. Es war, wie so häufig bei Hitler, eine Beziehung, bei der jeder dachte, er könne den anderen ausnutzen. Hitler hoffte, seine Glaubwürdigkeit als legitimer Nachfolger der preußisch-deutschen, monarchischen Tradition zu erhöhen, indem er sich mit der alten Herrscherfamilie in Verbindung brachte; Wilhelm wollte wieder auf den Thron gelangen. In Mein Kampf – Wilhelm nahm sich übrigens nie die Zeit, das Buch zu lesen – hatte Hitler jedoch ausdrücklich erklärt, das Ziel seiner Bewegung sei nicht die Begründung einer Monarchie, sondern die Schaffung eines germanischen Staates. Und da Hitlers Verlangen, in eigener Person totale Macht auszuüben, immer deutlicher zutage trat, schwanden auch Wilhelms Hoffnungen, eine NS-Regierung werde die Monarchie wiedereinführen; umgekehrt nahm Hitlers Bedarf an einer Unterstützung durch die Hohenzollern ab. Der Augenblick der Wahrheit kam am 27. Januar 1934, als Hitler die Auflösung von Feierlichkeiten zu Ehren des 75. Geburtstags des Exkaisers anordnete. Wenige Tage danach war das Schicksal der Restaurationsbewegung besiegelt, als sämtliche monarchistischen Organisationen gesetzlich verboten wurden.
Damit hatte Hitler, in Wilhelms Augen, eine »Kriegserklärung an das Haus Hohenzollern und das deutsche Kaisertum« ausgesprochen. 93 Die Feindseligkeit des Exkaisers gegenüber Hitler und seiner Bewegung vertiefte sich in den folgenden Jahren allmählich, vor allem nach April 1937, als seine Frau ihre Kontakte zur Partei abbrach und eine unversöhnliche Gegnerin des NS-Regimes wurde. Ihre Verachtung
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