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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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Krise eine Lektion in der Vorrangstellung der Seemacht erkannte. Als ein Jahr darauf ein Aufstand auf der Insel Kreta einen Konflikt zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich auslöste, verfolgte Wilhelm voller Neid und Wut, wie Großbritannien die Krise durch eine diplomatische Initiative entschärfte und die eigene Dominanz im Mittelmeer untermauerte:
     
    Man sieht hieraus wieder [notierte er auf einen Bericht des deutschen Botschafters in Athen], wie schwer Deutschland den Mangel einer starken Flotte empfindet. […] Hätten wir statt eines Schiffes, eine starke Kreuzerdivision mit Panzerkreuzern bei Creta gehabt, so hätte Deutschland ungesäumt auf eigene Faust im Februar allein gleich Athen blockieren können, und dadurch die anderen Mächte nolens volens zum Mitthun fortgerissen und gezwungen. So ist schließlich nichts geschehen und derjenige, der alle Pläne durchkreuzt, alle Thatkraft lähmt und auf den schließlich Rücksicht genommen wird, ist England! Weil es die stärkste Flotte hat! Uns helfen unsere 1 000 000 Grenadiere dabei nichts! 39
     
    Kaum ein Jahr später unterstrichen Entwicklungen in Fernost jedoch, welche Möglichkeiten eine glaubwürdige Flottenpräsenz für das Deutsche Reich barg. Nach dem Mord an zwei deutschen, katholischen Missionaren in der Nähe des chinesischen Hafens von Kiaotschou beschloss Wilhelm, den Zwischenfall als Vorwand für eine Besetzung des Hafens zu nehmen und entsandte am 14. November 1897 einen Flottenverband. Die Besetzung wurde später durch einen 99-jährigen Pachtvertrag förmlich bestätigt, der stark dem Vertrag glich, den die Briten kurz zuvor für Hongkong abgeschlossen hatten. Der Vorstoß nach Kiaotschou war von einem Geschwaderkommandanten vorgeschlagen worden, der im Chinesischen Meer stationiert war, und wurde ohne Rücksprache mit dem deutschen Kanzler und Außenminister in die Wege geleitet – allerdings hatte Wilhelm vorsichtshalber seinen Vetter Nikolaus II. gewarnt, um sicher zu gehen, dass die Russen nicht protestieren würden. Die Episode bestärkte Wilhelm in dem Entschluss, dem Deutschen Reich die Dienste einer starken Flotte zu verschaffen. 40
    Wilhelms eingehende Beschäftigung mit dem Ausbau der Flotte fiel mit dem Aufkommen eines zunehmend erbitterten Grabenstreits innerhalb der höchsten Reihen der Marineverwaltung zusammen. Einerseits forderten Wilhelms Chef des Marinekabinetts, Admiral Gustav Freiherr von Senden-Bibran, und sein ehrgeiziger Schützling Alfred von Tirpitz nachdrücklich den Bau schlagkräftiger Schlachtschiffe im großen Stile, ganz nach der Doktrin des Seehistorikers Mahan. Demgegenüber befürwortete der zurückhaltende Admiral Friedrich Hollmann, Staatssekretär für die Kriegsmarine und der Mann, der für die Ausarbeitung von Flottenvorlagen für den Reichstag zuständig war, weiterhin den Bau einer Kreuzerflotte. Während Senden und Tirpitz einen späteren Kampf mit Großbritannien um Gleichberechtigung in dessen Hoheitsgewässern ins Auge fassten, schwebte Hollmann hingegen eine flexiblere Waffe vor, die man einsetzen konnte, um deutschen Forderungen Nachdruck zu verleihen oder deutsche Interessen an der Peripherie zu schützen. Während Tirpitz einen Propagandafeldzug zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung für eine Anhebung der Flottenausgaben forderte, war Hollmann weiterhin überzeugt, dass sich der Reichstag niemals zu grandiosen, langfristigen Bauplänen verpflichten würde, und bestand darauf, dass der Ausbau der Flotte in kleinen Schritten erfolgen müsse. Von 1893 bis 1896 führten Hollmanns Gegner einen Kleinkrieg gegen den Marinesekretär, stellten unverhohlen seine Kompetenz in Frage und bombardierten Wilhelm mit Denkschriften, in denen sie ihre eigenen strategischen Pläne skizzierten. Wilhelm war begeistert über die atemberaubende Reichweite der Vorschläge, zögerte jedoch, Hollmann fallen zu lassen, teils weil er selbst an dem Kreuzerkonzept Gefallen fand, das die damals aktuelle, französische jeune école favorisierte, und teils weil Hollmann weiterhin die Unterstützung der »Kamarilla« um Philipp Eulenburg genoss. Stattdessen schwankte er in charakteristischer Manier zwischen den beiden Fronten und konterte die Argumente einer jeden Partei mit den Einwänden der anderen. Gleichzeitig fasste er stillschweigend Tirpitz bereits als Hollmanns potenziellen Nachfolger ins Auge. 41 Hollmanns Stellung wurde schließlich im März 1897 unhaltbar, als seine Kostenvoranschläge von dem

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