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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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der Dreh- und Angelpunkt seiner Außenpolitik waren. Für die Kronprinzessin hingegen war gerade die »antirussische« Tendenz der Heirat der Hauptanreiz. Mit der Unterstützung ihrer Mutter Königin Victoria hoffte sie durch ein stärkeres deutsches Engagement in Bulgarien, die Grundlage für eine Koalition zu schaffen, die den russischen Einfluss auf dem Balkan eindämmen sollte. Das Beste wäre es, schrieb sie im Juni 1883 an ihre Mutter, »wenn England, Österreich, Italien und Deutschland sich zusammentun könnten, zum Beispiel Bulgarien unterstützten, damit dieses Land eine wirkliche Barriere gegen russisches Vorgehen nach Konstantinopel bilde«. 27 Hier lebte der alte Streit zwischen »Westlern« und »Russen« erneut auf, der traditionell die außenpolitischen Debatten in Preußen erhitzte.
    Im Sommer 1884 hatte sich eine mächtige, von Bismarck und dem Kaiser angeführte Koalition gebildet, welche die Heirat aus politischen wie auch aus dynastischen Gründen ablehnte. 28 Der Streit um Battenberg zog sich durch die ganzen achtziger Jahre hindurch und säte immer wieder von neuem Zwietracht. Selbst nachdem der Prinz abgedankt hatte und durch einen von Russland unterstützten Staatsstreich im August 1886 aus dem Land vertrieben worden war, fanden Victoria und – mit gelegentlichen Bedenken – der Kronprinz noch Gefallen an der Idee der Heirat und erwogen sogar, für den Prinzen einen hohen Posten in der deutschen Verwaltung zu suchen. Ende 1887 gewann die Angelegenheit noch an Brisanz, als das antirussische Auftreten des gewählten Nachfolgers Alexander von Battenbergs, Prinz Ferdinands von Sachsen-Coburg-Kohary, internationale Spannungen um Bulgarien förderte und Angst vor einem Balkankrieg auslöste. Wie zu erwarten, schloss sich Wilhelm der Anti-Battenberg-Fraktion an. Seinem Großvater überbrachte er Berichte über geheime Treffen zwischen seiner Schwester und dem Prinzen. In einer Diskussion mit Bismarcks Sohn Herbert – zweifellos für die Ohren des Kanzlers bestimmt – dachte Wilhelm sogar laut darüber nach, ob er Battenberg nicht »[zum Duell] provozieren und ihm meine Kugel vor den Kopf schießen« solle. 29
    Wilhelms vehementer Widerstand gegen die Battenberg-Heirat und sein offensichtliches Engagement für Bismarcks »russische« Außenpolitik wurden mit einem weiteren, herausragenden Auftrag belohnt: Im August 1886 wurde beschlossen, Wilhelm zu einem Treffen mit dem Zaren nach Russland zu schicken, diesmal allerdings nicht zur Repräsentation, sondern zu politischen Gesprächen auf höchster Ebene über die russischen Interessen auf dem Balkan. Man hoffte, dass die Mission von dem guten Eindruck profitierten werde, den Wilhelm bei seinem ersten Besuch im Jahr 1884 hinterlassen hatte. Einmal mehr hatte Kronprinz Friedrich Wilhelm, mit Recht, das Gefühl, dass man ihn übergangen hatte. In einer schriftlichen Beschwerde an Bismarck protestierte er gegen die Entscheidung und fügte gekränkt hinzu, dass er nicht persönlich über die Entscheidung informiert worden sei, sondern sie »durch Zeitungen wie durch Gerüchte« erfahren habe. 30 Als der Kanzler erwiderte, die Vorbereitungen für Wilhelms Reise seien bereits bekannt gegeben worden und könnten nicht mehr geändert werden, wies der Kronprinz auf die gesundheitliche Konstitution seines Sohnes hin (Wilhelm erholte sich gerade von einer Erkältung.) Er bot sogar an, selbst »die Reise nach Russland zu machen, da ich es überdies für nützlich halte, auch meinerseits zur Betonung des Wunsches nach Erhaltung korrekter Beziehungen zu Russland mit beizutragen«. 31 Die einflussreichsten Persönlichkeiten am Hof sprachen sich jedoch rasch einmütig gegen eine solche Änderung des Planes aus. »Die Courtoisie«, also Höflichkeit, werde zwar durch einen Besuch des Kronprinzen »formell noch größer«, teilte Bismarck am 17. August dem Kaiser mit, »andererseits aber sei die Gefahr vorhanden, dass Kaiser Alexander und der Kronprinz wegen des Battenbergers, den der eine hasst und der andere liebt, aneinander geraten würden«. Dieses Argument leuchtete dem Kaiser ein, der zustimmte, dass sein Sohn »kein geeigneter Verkehr für den Kaiser Alexander« sei. 32 Auf seine charakteristisch extravagante Weise verinnerlichte auch Wilhelm selbst das Argument. In einem Brief an Herbert von Bismarck vom 20. August warnte Wilhelm, falls sein Vater entsandt werde, so werde dieser »dem Kaiser v. Russland Vortrag über England und die Tapferkeit des Bulgaren

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