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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bestürmten uns mit Fragen, noch ehe wir die Schwelle überschritten hatten.
    Ihr Erstaunen, ihre Entrüstung bei unserer Erzählung über die Vorfälle im Hause am Tököly-Wall war unbeschreiblich. Mein Bruder war gar nicht zu beruhigen. Wie Hauptmann Haralan wollte er Wilhelm Storitz züchtigen, ehe noch die Gerechtigkeit eingeschritten. Vergebens machte ich ihn darauf aufmerksam, daß der Feind Ragz gewiß schon verlassen habe.
    »Wenn er nicht mehr in Ragz ist, rief er erregt, so kann er nur in Spremberg sein!«
    Ich trachtete ihn zu beruhigen und der Doktor vereinte seine Bemühungen mit den meinigen.
    »Mein lieber Markus, sagte er, hören Sie auf die Worte Ihres Bruders; rühren wir nicht mehr an dieser für unsere Familie so traurigen Angelegenheit; bewahren wir vollkommenes Stillschweigen darüber und bald wird alles vergessen sein.«
    Mein Bruder hielt sich den Kopf mit beiden Händen; es tat mir wehe, ihn anzusehen. Was hätte ich nicht dafür gegeben, einige Tage älter zu sein und Myra Roderich als Myra Vidal zu sehen. Der Doktor sagte noch, daß er den Gouverneur von Ragz aufsuchen wolle. Wilhelm Storitz war ein Ausländer und Seine Exzellenz würde nicht zögern, die Landesverweisung über ihn zu verhängen. Das Notwendigste war jetzt, zu verhindern, daß die traurigen Tatsachen, die sich im Hause Roderich abgespielt hatten, eine Wiederholung erführen, selbst wenn auf eine befriedigende Erklärung verzichtet werden mußte. Daß Wilhelm Storitz über übernatürliche Kräfte verfüge, wie er sich gerühmt hatte, vermochte niemand zu glauben.
    Ich führte alle Gründe an, die uns geboten, Frau und Fräulein Roderich gegenüber vollkommenes Stillschweigen zu beobachten. Sie sollten weder erfahren, daß die Polizei in Anspruch genommen worden, noch daß der Täter entdeckt war.
    Mein Vorschlag bezüglich des Brautkranzes wurde angenommen. Markus mußte ihn zufällig im Garten finden. Dadurch war bewiesen, daß alles Gaukelspiel eines schlechten Spaßmachers gewesen sei, welchen man bald auffinden und nach Verdienst empfindlich bestrafen würde.
    Am selben Tage noch begab ich mich ins Rathaus zu Herrn Stepark, mit der Bitte um die Auslieferung des Brautkranzes. Er hatte nichts dagegen einzuwenden und ich nahm ihn mit mir.
    Des Abends, als wir alle mit Frau Roderich und ihrer Tochter im Salon saßen, trat Markus herein, welcher sich einige Augenblicke entfernt hatte, und rief:
    »Myra! Meine liebe Myra…. Sehen Sie nur, was ich Ihnen bringe….
    – Mein Kranz!… rief sie und eilte meinem Bruder entgegen.
    – Ja, antwortete Markus, dort… im Garten… habe ich ihn hinter einem Gebüsch gefunden, wohin er gefallen war.
    – Aber wieso?… Wie ist das möglich?… fragte Frau Roderich.
    – Wieso? antwortete der Doktor. Irgend ein Eindringling, der sich zwischen unsere Gäste geschlichen und einen unpassenden Scherz erlaubt hat. Denken wir nicht mehr an diesen leidigen Vorfall.
    – Danke, danke, lieber Markus«, sagte Myra, indem eine Träne über ihre Wangen rollte.
    Die folgenden Tage verliefen ohne weiteren Zwischenfall. Die Stadt hatte sich bald beruhigt. Von der Haussuchung am Tököly-Wall drang nichts in die Öffentlichkeit und niemand erwähnte mehr den Namen Wilhelm Storitz. Jetzt blieb nichts anderes zu tun übrig, als geduldig – oder vielmehr ungeduldig – den Tag abzuwarten, an dem die Trauung Myra Roderichs mit Markus gefeiert werden sollte.
    Ich verwendete jene Stunden, die mir mein Bruder freiließ, zu Spaziergängen in der Umgebung von Ragz. Manchmal begleitete mich Hauptmann Haralan. Dann war es eine Seltenheit, wenn wir nicht über den Tököly-Wall die Stadt verließen. Es war klar, daß das verdächtige Haus ihn mächtig anzog. Übrigens wurde dabei stets aufs neue bewiesen, daß es immer noch verlassen dastand und von zwei Männern bewacht wurde. Wenn Wilhelm Storitz aufgetaucht wäre, hätte seine Rückkehr augenblicklich bemerkt und gemeldet werden müssen und er wäre verhaftet worden.
    Bald wurde uns auch ein Beweis seiner Abwesenheit und die Gewißheit, daß man ihm jetzt unmöglich in den Straßen von Ragz begegnen konnte.
    Am 29. Mai wurde ich zu Herrn Stepark gerufen und erfuhr durch ihn, daß am 25. Mai in Spremberg der Todestag Otto Storitz’ feierlich begangen worden war. Die Zeremonie hatte, wie es schien, eine gewaltige Menge Zuschauer herbeigelockt; nicht nur die Bevölkerung Sprembergs, sondern Tausende von Neugierigen aus den benachbarten Städten, sogar aus

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