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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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konnte kaum seine Fassung bewahren.
    »Fräulein Roderich – verschwunden?… rief er.
    – Ja, antwortete ich. Es klingt unglaublich, nicht wahr, und dennoch ist es so! Entweder ist sie entflohen oder sie ist geraubt worden! Sie ist nicht mehr da!
    – Dabei hat Storitz seine Hand im Spiele gehabt«, brummte Herr Stepark!
    Der Polizeichef war also derselben Meinung wie Haralan.
    Nach einem Augenblicke des Schweigens fügte er hinzu:
    »Das ist wahrscheinlich der Hauptstreich, von dem er mit seinem Helfershelfer sprach.«
    Herr Stepark hatte recht. Ja, Wilhelm Storitz hatte uns gewissermaßen auf ein neues Unheil vorbereitet. Und wir in unserer Gedankenlosigkeit hatten an keine Abwehr gedacht.
    »Meine Herren, sagte Herr Stepark, wollen Sie mich in Ihr Haus begleiten?
    – Sobald Sie es wünschen, antwortete ich.
    – Ich bin bereit, meine Herren…. Erlauben Sie mir nur, einige Anordnungen zu treffen.«
    Herr Stepark ließ einen Unteroffizier rufen und befahl ihm, mit einer Anzahl Polizeisoldaten das Haus des Doktors während der Nacht zu bewachen. Darauf hatte er eine lange Beratung mit seinem Stellvertreter, die mit leiser Stimme geführt wurde, dann bestieg er mit uns den Wagen.
    Das Haus wurde ein zweites Mal durchsucht – vergebens. Aber Herr Stepark machte eine bemerkenswerte Beobachtung, als er Myras Zimmer betreten hatte.
    »Herr Vidal, sagte er, fällt Ihnen nicht ein eigentümlicher Geruch auf, der schon einmal auf unser Geruchsorgan gewirkt hat?«
    Wirklich schwebte ein leiser Duft in der Luft und jetzt wurde auch die Erinnerung in mir lebendig, ich rief:
    »Es ist der Geruch jener Flüssigkeit in der Phiole in Storitz’ Laboratorium, Herr Stepark, welche in dem Momente zerbrach, als Sie sie fassen wollten.
    – Sie haben es erraten, Herr Vidal, und diese Tatsache berechtigt zu mancher Vermutung. Wenn es diese Flüssigkeit ist, welche das Unsichtbarwerden bewirkt, hat vielleicht Wilhelm Storitz Fräulein Roderich davon eingeflößt und sie, unsichtbar wie er selbst, fortgetragen?«
    Wir waren wie versteinert nach diesen Worten. Natürlich, so und nicht anders war es gewesen! Jetzt wurde es mir zur Gewißheit, daß Wilhelm Storitz während der Haussuchung in seinem Laboratorium gewesen war und die Phiole, deren Inhalt sich so rasch verflüchtigt hatte, selbst zerbrach, ehe er sie in unsere Hände fallen ließ. Ja, damals verspürten wir denselben charakteristischen Geruch, der uns hier entgegentrat. Ja! Wilhelm Storitz hatte den durch die Abreise bedingten Mangel an Wachsamkeit benützt, um in das Haus zu dringen und hatte Myra fortgetragen.
    Welch eine schreckliche Nacht, die ich bei meinem Bruder, Herr Roderich bei seiner Frau verbrachte! Tagesanbruch war kaum zu erwarten!
    Und doch! Was konnte uns der Tag bringen?… Das Licht war bedeutungslos für Wilhelm Storitz, welcher sich mit undurchdringlicher Nacht zu umgeben wußte!
    Herr Stepark verließ uns beim Morgengrauen, um sich in das Regierungsgebäude zu begeben. Ehe er sich empfahl, nahm er mich beiseite und sagte mir die rätselhaften Worte, besonders rätselhaft unter den jetzigen Umständen:
    »Einen Augenblick, Herr Vidal! Verlieren Sie den Mut nicht, denn – ich glaube mich nicht zu irren – Sie stehen am Ende Ihrer Leiden!«
    Ich antwortete nicht auf diese ermutigenden Worte, die mir in diesem Augenblicke sinnlos erschienen und blickte den Polizeichef verständnislos an. Hatte ich überhaupt seine Worte vernommen? Ich war ganz haltlos, war am Ende meiner Kraft und Energie angelangt; es war mit mir nichts mehr anzufangen.
    Gegen acht Uhr morgens erschien der Gouverneur, um Dr. Roderich die Versicherung zu geben, daß zur Auffindung seiner Tochter alle Kräfte aufgeboten werden würden. Dr. Roderich und ich hatten nur ein schmerzliches, ungläubiges Lächeln zur Antwort. Was konnte auch der Gouverneur helfen!
    Schon in den ersten Morgenstunden hatte sich die Nachricht von der Entführung Myras durch alle Teile der Stadt verbreitet; ich unterlasse es, die Wirkung zu schildern, die sie hervorrief.
    Noch vor neun Uhr erschien Leutnant Armgard und stellte dem Kameraden seine Hilfe zur Verfügung. Wozu, großer Gott!
    Hauptmann Haralan schien dieses freundschaftliche Anerbieten nicht so unnütz zu finden, wie ich, denn er dankte ihm kurz, schnallte seinen Säbel um, nahm die Mütze und sagte nur das eine Wort:
    »Komm!…«
    Als sich die zwei Offiziere zum Fortgehen anschickten, überkam mich ein unwiderstehlicher Drang, sie zu begleiten. Ich

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