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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Herr und Diener während des Auf-und Abgehens längs des Dickichts uns näherten oder von uns entfernten.
    Die ersten Worte, die wir verstehen konnten, sprach Wilhelm Storitz:
    »Wir können gleich morgen hinreisen?…
    – Ja, gleich morgen, antwortete die zweite unsichtbare Person – wahrscheinlich Hermann – und niemand wird wissen, wer wir sind.
    – Wann bist Du nach Ragz zurückgekommen?
    – Heute früh.
    – Gut… Und dieses Haus ist gemietet?…
    – Unter einem angenommenen Namen.
    – Und Du weißt bestimmt, daß wir es vor aller Augen beziehen können, daß uns niemand kennt in…«
    Zu unserer großen Enttäuschung konnten wir den von Wilhelm Storitz genannten Namen der Stadt unmöglich verstehen. Aber aus dem Gehörten ging hervor, daß unser Feind in kürzester Zeit wieder menschliche Gestalt anzunehmen beabsichtigte. Warum wollte er diese Unvorsichtigkeit begehen? Ich begann zu vermuten, daß seine Unsichtbarkeit nicht über einen bestimmten Termin hinaus ausgedehnt werden durfte, ohne seiner Gesundheit Schaden zu bringen. Ich gebe diese Erklärung, weil sie mir richtig dünkt, aber ich fand niemals Gelegenheit, sie bestätigt zu sehen.
    Als die Stimmen sich wieder näherten, beendete Hermann gerade einen begonnenen Satz:
    »Und die Polizei von Ragz wird uns unter diesem Namen sicher nicht entdecken.«
    Die Polizei von Ragz?… Ja, wollte er sich denn abermals in einer ungarischen Stadt niederlassen?
    Das Geräusch der Schritte entfernte sich und Herr Stepark sagte zu mir:
    »Welche Stadt?… Welche Namen?… Das sollten wir in Erfahrung bringen.«
    Ehe ich antwortete, näherten sich uns die beiden Männer abermals und blieben jetzt wenige Schritte vor uns stehen.
    »Ist denn diese Reise nach Spremberg durchaus notwendig? fragte Hermann.
    – Unumgänglich notwendig, weil dort mein Kapital angelegt ist. Hier kann ich mich ohnehin nicht ungestraft blicken lassen. Dort aber…
    – Haben Sie die Absicht, sich dort in sichtbarer Gestalt zu zeigen?
    – Ich bin dazu gezwungen…. Ich glaube kaum, daß man Geld auszahlen würde, ohne den Empfänger gesehen zu haben.«
    Auf diese Weise erfüllte sich also, was ich vorausgesehen hatte. Storitz kam jetzt in eine Lage, wo die Unsichtbarkeit aufhörte, von Vorteil zu sein. Er brauchte Geld, und um sich dasselbe zu verschaffen, mußte er auf seine Macht verzichten.
    Und er fuhr fort:
    »Das Schlimmste ist, daß ich nicht weiß, was ich tun soll. Diese Narren haben mein Laboratorium zerstört und ich habe kein einziges Fläschchen Nr. 2 bei mir. Zum Glück entdeckten sie das Versteck im Garten nicht, aber das ist jetzt ganz mit Schutt bedeckt und Du mußt mir helfen, ihn wegzuräumen.
    – Wie Sie wünschen, sagte Hermann.
    – Komm übermorgen gegen zehn Uhr vormittags. Für uns ist es ja gleichgültig, ob wir den Tag oder die Nacht wählen, und bei Tage sehen wir besser.
    – Warum nicht morgen?
    – Für morgen habe ich etwas anderes vor. Ich habe mir einen Hauptschlag ausgedacht, der jemanden, den ich kenne, keine Freude machen wird.«
    Wieder entfernten sich die beiden, und als sie wiederkamen:
    »Nein, ich gehe nicht von Ragz fort, sagte Wilhelm Storitz mit wutbebender Stimme, ehe die Familie Roderich nicht meinen ganzen Haß und meine Rache gefühlt hat, ehe Myra und dieser Franzose…«
    Er sprach den Satz nicht zu Ende, es entrang sich seiner Brust ein heiseres Brüllen….
    In diesem Augenblick ging er ganz nahe an uns vorbei; es hätte vielleicht genügt, die Hand auszustrecken, um ihn zu ergreifen. Aber unsere Aufmerksamkeit wurde durch die weiteren Worte Hermanns abgelenkt:
    »Man weiß jetzt in Ragz, daß Sie sich unsichtbar machen können, aber das Mittel kennt man nicht, wodurch Sie dieses Wunder bewirken.
    – Man wird es auch niemals kennen, antwortete Wilhelm Storitz. Ich bin noch nicht fertig mit dieser Stadt! Weil sie mein Haus verbrannten, glauben sie vielleicht mein Geheimnis zerstört zu haben!… Die Narren!… Auch Ragz wird meine ganze Rache fühlen; nicht einen Stein will ich auf dem andern lassen…«
    Kaum war dieser für die Stadt so drohend klingende Satz gesprochen, als die Zweige des Dickichts stürmisch zurückgeschlagen wurden. Herr Stepark hatte sich auf die Stimme zugestürzt. Plötzlich schrie er laut:
    »Ich halte den einen, Herr Vidal, fassen Sie den anderen!«
    Jeder Zweifel war ausgeschlossen; seine Hände hielten einen fühlbaren, wenn auch unsichtbaren Körper. Aber er wurde mit großer Kraft zurückgeschleudert und

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