Wilhelm Tell
errett ich euch,
Aus Sturmes Nöthen muß ein Andrer helfen.
|14| Doch besser ist’s, ihr fallt in Gottes Hand,
Als in der Menschen!
(zu dem Hirten)
Landsmann, tröstet ihr
Mein Weib, wenn mir was menschliches begegnet,
Ich hab’ gethan, was ich nicht lassen konnte.
(er springt in den Kahn)
KUONI
(zum Hirten [Fischer])
Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich
Der Tell getraut, das konntet ihr nicht wagen?
RUODI
Wohl beßre Männer thuns dem Tell nicht nach,
Es giebt nicht zwey, wie der ist, im Gebirge.
WERNI
(ist auf den Fels gestiegen)
Er stößt schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer
Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!
KUONI
(am Ufer)
Die Flut geht drüber weg – Ich seh’s nicht mehr.
Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich
Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.
|15| SEPPI
Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.
KUONI
Weiß Gott, sie sinds! das war Hülf in der Noth[.]
Ein Trupp Landenbergischer Reiter.
ERSTER REITER
Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.
ZWEITER
Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.
KUONI UND RUODI
Wen meint ihr, Reiter?
ERSTER REITER
(entdeckt den Nachen)
Ha, was seh ich! Teufel!
WERNI
(oben)
Ist’s der im Nachen, den ihr sucht? – Reit zu!
Wenn ihr frisch beilegt, hohlt ihr ihn noch ein.
ZWEITER
Verwünscht! Er ist entwischt.
ERSTER
(zum Hirten und Fischer)
Ihr habt ihm fortgeholfen,
|16| Ihr sollt uns büßen – Fallt in ihre Heerde!
Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!
(eilen fort.)
SEPPI
(stürzt nach)
O meine Lämmer!
KUONI
(folgt)
Weh mir! Meine Heerde!
WERNI
Die Wüthriche!
RUODI
(ringt die Hände)
Gerechtigkeit des Himmels,
Wann wird der Retter kommen diesem Lande?
(folgt ihnen)
ZWEITE SCENE
Zu Steinen in Schwytz. Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.
WERNER STAUFFACHER. PFEIFFER VON LUZERN
kommen im Gespräch.
PFEIFFER
Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich euch sagte.
|17| Schwört nicht zu Oestreich, wenn ihrs könnt vermeiden.
Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,
Gott schirme euch bei eurer alten Freiheit!
(drückt ihm herzlich die Hand und will gehen)
STAUFFACHER
Bleibt doch, bis meine Wirthin kommt – Ihr seid
Mein Gast zu Schwytz, ich in Lucern der Eure.
PFEIFFER
Viel Dank! Muß heute Gersau noch erreichen.
– Was ihr auch schweres mögt zu leiden haben
Von eurer Vögte Geiz und Uebermuth,
Tragt’s in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,
Ein andrer Kaiser kann an’s Reich gelangen.
Seid ihr erst Oesterreichs, seid ihrs auf immer.
(er geht ab. Stauffacher sezt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich neben
ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet)
GERTRUD
So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.
Schon viele Tage seh’ ich’s schweigend an,
|18| Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furch’t.
Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,
Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,
Und meine Hälfte fodr’ ich deines Grams.
(Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt)
Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.
Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,
Voll sind die Scheunen, und der Rinder Schaaren,
Der glatten Pferde wohl genährte Zucht
Ist von den Bergen glücklich heimgebracht
Zur Winterung in den bequemen Ställen.
– Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,
Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert
Und nach dem Richtmaaß ordentlich gefügt,
Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,
Mit bunten Wappenschildern ist’s bemahlt,
Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann
Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.
STAUFFACHER
Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,
Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.
|19| GERTRUD
Mein Werner sage, wie verstehst du das?
STAUFFACHER
Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,
Das schön vollbrachte freudig überdenkend,
Da kam daher von Küssnacht, seiner Burg,
Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.
Vor diesem Hause hielt er wundernd an,
Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig
Wie sich’s gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,
Der uns des Kaisers richterliche Macht
Vorstellt im Lande. Wessen ist dieß Haus?
Fragt’ er bösmeinend, denn er wußt es wohl.
Doch schnell besonnen ich entgegn’ ihm
Weitere Kostenlose Bücher