Wilhelm Tell
Rede.
WERNI
Ihr seid mit Blut befleckt, was hat’s gegeben?
BAUMGARTEN
Des Kaisers Burgvogt, der auf Roßberg saß –
KUONI
Der Wolfenschießen! Läßt euch der verfolgen?
BAUMGARTEN
Der schadet nicht mehr, ich hab’ ihn erschlagen.
ALLE
(fahren zurück)
Gott sey euch gnädig! Was habt ihr gethan?
|8| BAUMGARTEN
Was jeder freie Mann an meinem Platz!
Mein gutes Hausrecht hab’ ich ausgeübt
Am Schänder meiner Ehr’ und meines Weibes.
KUONI
Hat euch der Burgvogt an der Ehr’ geschädigt?
BAUMGARTEN
Daß er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,
Hat Gott und meine gute Axt verhütet.
WERNI
Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?
KUONI
O laßt uns alles hören, ihr habt Zeit,
Bis er den Kahn vom Ufer los gebunden.
BAUMGARTEN
Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt
Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.
„Der Burgvogt lieg’ in meinem Haus, er hab’
Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.
Drauf hab’ er Ungebührliches von ihr
Verlangt, sie sey entsprungen mich zu suchen.“
|9| Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,
Und mit der Axt hab’ ich ihm ’s Bad gesegnet.
WERNI
Ihr thatet wohl, kein Mensch kann euch drum schelten.
KUONI
Der Wütherich! Der hat nun seinen Lohn!
Hat’s lang verdient ums Volk von Unterwalden.
BAUMGARTEN
Die That ward ruchtbar, mir wird nachgesezt –
Indem wir sprechen – Gott – verrinnt die Zeit –
(es fangt an zu donnern)
KUONI
Frisch Fährmann – Schaff den Biedermann hinüber.
RUODI
Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist
Im Anzug. Ihr müßt warten.
BAUMGARTEN
Heilger Gott!
Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tödet –
|10| KUONI
(zum Fischer)
Greif an mit Gott, dem Nächsten muß man helfen,
Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.
(Brausen und Donnern)
RUODI
Der Föhn ist los, ihr seht wie hoch der See geht,
Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.
BAUMGARTEN
(umfaßt seine Knie)
So helf euch Gott, wie ihr euch mein erbarmet –
WERNI
Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.
KUONI
’s ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!
(wiederholte Donnerschläge)
RUODI
Was? Ich hab’ auch ein Leben zu verlieren,
Hab’ Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin
Wie’s brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,
Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.
– Ich wollte gern den Biedermann erretten,
Doch es ist rein unmöglich, ihr seht selbst.
|11| BAUMGARTEN
(noch auf den Knien)
So muß ich fallen in des Feindes Hand,
Das nahe Rettungsufer im Gesichte!
– Dort liegt’s! Ich kann’s erreichen mit den Augen,
Hinüberdringen kann der Stimme Schall,
Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,
Und muß hier liegen, hülflos, und verzagen!
KUONI
Seht wer da kommt!
WERNI
Es ist der Tell aus Bürglen.
Te ll mit der Armbrust.
TELL
Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?
KUONI
’s ist ein Alzeller Mann, er hat sein’ Ehr
Vertheidigt, und den Wolfenschieß erschlagen,
Des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß –
Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen,
Er fleht den Schiffer um die Ueberfahrt,
Der fürcht’t sich vor dem Sturm und will nicht fahren.
|12| RUODI
Da ist der Tell, er führt das Ruder auch,
Der soll mirs zeugen, ob die Fahrt zu wagen.
(heftige Donnerschläge, der See rauscht auf)
RUODI
Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?
Das thäte keiner, der bei Sinnen ist.
TELL
Der brave Mann denkt an sich selbst zulezt,
Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.
RUODI
Vom sichern Port läßt sich’s gemächlich rathen,
Da ist der Kahn und dort der See! Versuchts!
TELL
Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen,
Versuch es Fährmann!
HIRTEN UND JÄGER
Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!
RUODI
Und wär’s mein Bruder und mein leiblich Kind,
|13| Es kann nicht seyn, ’s ist heut Simons und Judä,
Da ras’t der See und will sein Opfer haben.
TELL
Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft,
Die Stunde dringt, dem Mann muß Hülfe werden.
Sprich, Fährmann, willst du fahren?
RUODI
Nein, nicht ich!
TELL
In Gottes Nahmen denn! Gieb her den Kahn,
Ich wills mit meiner schwachen Kraft versuchen.
KUONI
Ha wackrer Tell!
WERNI
Das gleicht dem Waidgesellen!
BAUMGARTEN
Mein Retter seid ihr und mein Engel, Tell!
TELL
Wohl aus des Vogts Gewalt
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