Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
nicht.« Richard war sich immer ganz sicher gewesen, dass er den Unterschied zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse kannte. Wer diese Grenze überschritt, den schnitt er bedenkenlos aus seinem Leben heraus, wie eine Krebsgeschwulst, die er im OP entfernte.
    John sah sich genötigt zu sagen: »Aber es tut mir leid. Er hat Joyce immer sehr geliebt.«
    Kathy sah ihn argwöhnisch an. »Wollen Sie Ihren Vater vielleicht verteidigen?«
    »Ich schätze, es hilft mir, auch seine Seite zu sehen, warum er so denkt, wie er denkt.«
    Sie durchquerte das Zimmer und öffnete eine Tür. John dachte zuerst, dass sie ins Bad führte, aber dann erkannte er, dass es ein begehbarer Wandschrank mit drei Aktenschränken war. Auf jedem lagen, in ordentlichen Stapeln, Spiralnotizbücher, insgesamt etwa fünfzig.
    »Das sind Ihre sämtlichen Gerichtsprotokolle, von Ihrer Voruntersuchung über die Ablehnung des Antrags auf Verweisung bis zur letzten Berufung.« Während Sie dies sagte, deutete sie auf verschiedene Schubladen. »Das sind Ihre medizinischen Unterlagen.« Sie legte die Hand auf die oberste Schublade des Schranks direkt neben John. »Ihre erste Überdosis in der Notaufnahme, Ihre Eingangsuntersuchung nach Ihrer Verhaftung, und...« Ihr Mund öffnete sich, aber sie machte eine Pause, bis sie schließlich fortfuhr, »...Informationen von der Krankenstation des Coastal.«
    John schluckte. Zebra. Sie wussten über Zebra Bescheid.
    »Das sind vorwiegend Berichte des Bewährungsausschusses«, erklärte Kathy und öffnete eine Schublade, in der sich sechs oder sieben dicke Akten befanden. »Joyce erhielt eine Kopie des letzten vor ungefähr einem Monat.«
    »Warum?«, fragte John und konnte nicht glauben, dass Joyce diese Unmengen von Akten seit über zwanzig Jahren aufbewahrte. »Warum hat sie das alles aufgehoben?«
    »Es gehörte alles Ihrer Mutter«, erwiderte Kathy. »Diese Notizbücher.« Sie nahm eins von einem der Stapel. »Das sind ihre persönlichen Notizen. Sie kannte ihren Fall in- und auswendig.«
    John schlug das Notizbuch auf und starrte die ordentliche Handschrift seiner Mutter an, ohne sie wirklich zu sehen. Als Emily heranwuchs, war eine saubere Handschrift noch wichtig gewesen. Ihre Schrift war wunderschön, doch die Worte waren es nicht.
    Speedball = Heroin + Kokain + ??? Warum die Bradykardie? Warum die Apnoe? John blätterte um. Bissspuren an den Brüsten entsprechen dem Zahnabdruck? Und: Kein Sperma gefunden. Wo ist Kondom???
    Kathy sagte: »Am Ende hat sie sogar versucht, die Beweisstücke vom County zu bekommen.«
    »Warum?«
    »Sie wollte eine DNS-Untersuchung des Messers machen lassen, um zu beweisen, dass es ihr Blut war, aber die Probe war so winzig, dass man sie nur auf mitochondrische DNS hin untersuchen konnte.« Als er sie verständnislos ansah, erklärte Kathy:
    »Mitochondrische DNS kommt von der Mutter, also kann man, auch wenn es Emilys Blut wäre, nicht ausschließen, dass es nicht auch Ihres sein könnte. Oder eben auch Joyces, aber auch das hätte in dem Fall nicht weitergeholfen.« »Bissspuren?«, las er.
    »Sie dachte, man könnte beweisen, dass Ihre Zähne nicht mit den Bissspuren übereinstimmten, aber es gab da einen Fall, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nach der Bissspuren als Beweismittel nicht zulässig sind.« Sie fügte hinzu: »Aber sie glaubte, das könnte vielleicht weiterhelfen bei... bei der Durchtrennung.«
    »Was?«
    »Der staatlich bestellte Odontologe wurde nie in den Zeugenstand gerufen. Ungefähr vier Jahre vor ihrem Tod beantragte Emily die Herausgabe aller Beweismittel, aller Ihrer Akten. Sie war fest entschlossen, noch einmal ganz von vorn anzufangen, zu überprüfen, ob sie irgendetwas übersehen hatte. Sie fand einen Bericht, in dem der staatliche Zahnexperte angab, seiner Meinung nach sei die Zunge... abgebissen, nicht abgeschnitten worden.«
    »Abgebissen?«, wiederholte John. Sofort musste er an Cynthia Barrett denken, an die eklige Glitschigkeit ihrer Zunge, als er sie zwischen Daumen und Zeigefinger gepackt hielt. Abschneiden war schlimm genug, aber abbeißen? Was für ein Monster biss einem Mädchen die Zunge ab?
    »John?«
    Er räusperte sich und zwang sich zum Sprechen. »Das Messer war das Hauptbeweisstück der Staatsanwaltschaft. Sie hatten einen Experten, der sagte, es sei benutzt worden, um die Zunge herauszuschneiden. Und das beweise einen Vorsatz.«
    »Richtig. Emily arbeitete an einem Einspruch wegen Fehlverhaltens der Staatsanwaltschaft.

Weitere Kostenlose Bücher