Will Trent 01 - Verstummt
hatte ihr das alkoholische Getränk, gegeben. Er war mit ihr nach Hause gegangen, hatte sich in ihr Schlafzimmer geschlichen. Er hatte das Speedball geschnupft, das ihm den Rest gab. Er hatte das alles geschehen lassen.
Aber zu wissen, dass Michael, sein Cousin Woody, es war, der Mary Alice abgeschlachtet hatte, machte John krank vor Wut. Er konnte nicht seinetwegen wütend sein, aber Mary Alices wegen, fuchsteufelswild, dass Michael sie nicht nur vergewaltigt, sie nicht nur einfach getötet, sondern sie zerfleischt hatte wie ein tollwütiges Tier.
Die Tatortfotos im Gerichtssaal waren schockierend gewesen, aber John war dort gewesen, hatte ihre Leiche mit eigenen Augen gesehen. Die Bissspuren überall auf ihren kleinen Brüsten. Die dunklen Flecken und tiefen Kratzer an der Innenseite ihrer Schenkel. Wie ihre Augen noch offen standen und zur Tür starrten, als wartete sie darauf, dass ihre Mutter jeden Augenblick hereinkommen und sie für die Kirche wecken würde. Das eigene Blut war ihr aus dem Mund gequollen, hatte die Haare ans Kissen geklebt.
Dieser beschissene Bastard. Dieser gottverdammte, perverse Hurensohn.
Doch es hatte nicht aufgehört mit Mary Alice. Michael lief noch immer frei herum, tat, was er verdammt noch mal wollte, in Johns Namen. Und er war Polizist. Ein Polizist! Er konnte John jederzeit den Garaus machen, saß wahrscheinlich gerade jetzt auf seinem Arsch und überlegte sich noch bessere Möglichkeiten, wie er John seine eigenen perversen Verbrechen anhängen konnte. Bei dem Gedanken an gestern Abend, als Johns Fingerspitzen das Klappmesser berührten und er beinahe mit einer Waffe in der Hand erwischt worden wäre, stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn. Michael war zu allem fähig. Er konnte John auf der Stelle verhaften, und John hätte nicht die geringste Chance, etwas dagegen zu unternehmen.
Und vielleicht hatte John es sogar verdient. Nach dem, was er Michaels Nachbarin angetan hatte, hatte er es vielleicht wirklich verdient, wieder ins Gefängnis gesteckt zu werden, zu all den anderen perversen Scheißkerlen. Er hatte ein Kind verstümmelt. Mit seinen eigenen Händen hatte er dieses Mädchen verstümmelt. Es war nicht recht, dass er mit so etwas davonkam.
Und so, wie es aussah, würde er es wahrscheinlich auch nicht.
Der Trockner schaltete ab, und John faltete die Lappen zusammen und stapelte sie in eine Tonne, die unten Rollen hatte, damit sie sie bei der Arbeit um die Autos herumschieben konnten. Er musste noch einmal mit Ben reden. John war im Gefängnis erwachsen geworden, aber er dachte wie ein Gefangener, nicht wie ein Krimineller. Er brauchte jemanden, der ihm sagte, was er tun solle.
»Sind Sie John?«
Die Frau vor ihm war schlank und gut eins siebzig groß. Ihre schwarzen Haare waren modisch kurz und verstrubbelt. Sie trug eine taillenkurze, eng anliegende Jacke über ihrer knapp sitzenden Blue Jeans.
»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich John und suchte nach der verräterischen Ausbuchtung in ihrer Jacke. Sie sah für ihn nicht aus wie eine Polizistin, dafür war ihre Jacke zu schick, aber John war noch nie besonders gut darin gewesen, die Bösen zu erkennen.
»Sind Sie John Shelley?«, fragte sie.
Er warf einen Blick über die Schulter. Ray-Ray saugte an einem Lutscher, beobachtete sie aber sehr genau. John fragte: »Kenne ich Sie?«
»Sie sind umgezogen«, antwortete sie. »Ich dachte, Sie wohnen in der Ashby Street?«
Er versuchte zu lächeln, obwohl er am liebsten die Lappen weggeworfen und davongelaufen wäre. »Was wollen Sie?«
Sie hatte die Hände an den Hüften, und er dachte an Ms. Lam. Er konnte nicht anders, musste zu dem Schraubdeckel auf dem Staubsaugertank schauen.
»Ich bin Kathy Keenan«, sagte sie. »Eine Freundin Ihrer Schwester.«
Er ließ die Lappen fallen. »Ist etwas mit Joyce...« »Ihr geht es gut«, beruhigte ihn die Frau. »Sie müssen nur mit ihr reden.«
»Ich...« Er schaute auf den Lappenhaufen hinunter, dann wieder hoch zu der Frau. Er wusste nicht, wer sie war oder warum sie hier war, aber sie war verrückt, wenn sie glaubte, sie könnte Joyce dazu bringen, etwas zu tun, was sie nicht tun wollte.
John kniete sich hin, um die Lappen aufzuheben. »Sie will nicht mit mir reden.«
»Ich weiß, dass sie das nicht will«, sagte Kathy. »Aber sie muss.«
»Wer sind Sie?«
»Ich habe es Ihnen gesagt. Eine Freundin von ihr.«
»Aber sehr gut können Sie sie nicht kennen, wenn Sie glauben, dass das funktioniert.«
»Ich
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