Will Trent 01 - Verstummt
Dampflokomotive, und Will schloss das DVD-Programm und öffnete seine E-Mail. Der staatliche Computer befand sich nicht gerade auf dem neuesten Stand -das Lexikon war äußerst begrenzt und die Rechtschreibprüfung kannte die Hälfte der Wörter, die im Polizeialltag benutzt wurden, nicht. Auch wenn Will gefragt hätte, er hätte nie die Erlaubnis erhalten, externe Programme auf die Festplatte zu laden, deshalb musste er damit zurechtkommen. Immerhin besaß er, wie die meisten Computer, eine Vorlesefunktion.
Er zog den Cursor über einige Spams, bis er eine Mail von Pete Hanson fand. Er markierte den Text, ging zur Menüzeile und klickte auf VORLESEN. Eine gestelzte Stimme las ihm Petes Nachricht vor. Cynthia Barretts Toxikologieergebnisse waren eingetroffen. Ihre letzte Mahlzeit waren Eier und Toast gewesen. Sie wies einen hohen Nikotinpegel auf. Im Blut wurden außerdem Spuren von Alkohol und Kokain gefunden.
Noch eine Sackgasse.
Will zog die Kopie heraus, die er von Aleesha Monroes Brief an ihre Mutter gemacht hatte. Er legte sie auf den Tisch und drückte die Knicke glatt. Ihre geschwungene Handschrift war ein Albtraum, da aber Will den Brief bereits auswendig kannte, fiel ihm das Lesen leichter, als wenn er ihn das erste Mal vor sich liegen gehabt hätte. Jetzt entzifferte er Zeile für Zeile und verglich jeden Satz mit seiner Erinnerung. Bis auf Monroes Neigung, Wörter in Großbuchstaben zu schreiben, wenn es ihr passte, fand Will nichts Neues.
Er faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn in die Tasche. Dann wanderte sein Blick zu den Strafregisterauszügen, die Leo Donnelly ihm besorgt hatte. In der oberen Ecke jedes Auszugs hing ein Foto, auf dem der jeweilige Täter mit einem schwarzen Schild vor der Brust in die Kamera schaute. Darauf standen seine wichtigsten Daten wie Name, Datum der Verurteilung, Datum der Entlassung auf Bewährung.
Widerwillig zog Will die Schublade seines Schreibtisches auf. Er nahm den Heftklammerentferner und löste das Foto vom ersten StraftäterprofiL Seine Bürotür war geschlossen, trotzdem flüsterte er, als er den ersten Namen laut vorlas.
Nach ungefähr einer Stunde war der Stapel kaum kleiner geworden. Da er Kopfschmerzen hatte, schluckte er ein paar Aspirin ohne Wasser und dachte, dass er lieber an Aspirinvergiftung starb als an den Kopfschmerzen, die hinter seinen Augen pochten. Leo Donnelly hatte die Hälfte des Stapels übernommen und ihn wahrscheinlich in weniger als einer Stunde durchgearbeitet.
Will stand auf und zog seine Jacke an. Ist wahrscheinlich sowieso Zeitverschwendung, dachte er. Wenn es in der Datenbank einen Straftäter gab, der die Marotte hatte, Zungen abzubeißen, dann hätte Will ihn gefunden, als er sich in den Monroe-Fall einarbeitete und dabei eine Stichwortsuche im Computer machte. Leos Strafregisterauszüge stammten aus verschiedenen Distrikten und zum Teil sogar aus anderen Staaten, weshalb es auch keine Einheitlichkeit bei der Beschreibung der Verbrechen gab.
Einige der verhaftenden Beamten hatten kaum mehr notiert als das Delikt und das Alter des Opfers, andere beschrieben jedes grässliche Detail der Untat. Wenn nicht eins der Fotos einen Kerl mit einer Zunge in der Hand zeigte, suchte Will nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.
Trotzdem schnappte er sich den Stapel, bevor er mit dem Aufzug in die Garage hinunterfuhr. Die Berichte lagen auf dem Beifahrersitz, als er nach Hause unterwegs war, und Will warf immer wieder einen flüchtigen Blick darauf, als wüsste er nicht so recht, was sie dort sollten. Er stellte das Auto hinter seinem Motorrad ab. Bettys Gebell begrüßte ihn, bevor er überhaupt an der Tür war. Der kleine Hund flitzte heraus, kaum dass er sie geöffnet hatte. Will nahm die Leine vom Haken, um mit ihr Gassi zu gehen, aber sie machte ihr Geschäft direkt auf den Rasen und sauste ins Haus zurück.
Im Wohnzimmer fand er die Hundedame dann auf den Sofakissen thronen.
»Auch dir einen guten Abend«, sagte er zu ihr und schob die Tür zu. Doch dann ging er noch einmal zum Auto, um die Unterlagen zu holen. Will legte sie auf seinen Schreibtisch und warf einen Blick auf den Anrufbeantworter. Die Kontrolllampe blinkte nicht, aber er hob trotzdem den Hörer ab, um zu kontrollieren, ob das Telefon funktionierte.
Das Freizeichen summte in seinem Ohr.
Zum Abendessen gab es das Gleiche wie zum Frühstück, eine Schüssel Müsli, die er im Stehen vor dem Spülbecken auslöffelte. Eigentlich wollte er sich nur
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