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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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aber ihren Decknamen hatte sie ihm nie verraten. »Sie ist ungefähr eins siebzig groß. Braune Haare, braune Augen. Olivfarbene Haut.«
    »Klingt nach mir, Süßer.« Das kam von einer kleinen Platinblonden mit einer so breiten Lücke zwischen den Schneidezähnen, dass sie beim Reden pfiff.
    Eine andere meinte: »Suchst du nach Robin, Baby?«
    »Ich weiß es nicht«, gab er zu und wandte sich der älteren Frau zu. Sie hatte ein blaues Auge, und das dicke Make-up, das sie darübergekleistert hatte, ließ es nur noch schlimmer aussehen.
    »Ich bin Lola.« Sie stieß sich von der Wand ab. »Bist du ihr Bruder?«
    »Ja«, murmelte Will, lieferte aber keine weiteren Erklärungen. »Ich muss mit ihr reden.«
    »Gib ihr noch ein paar Minuten«, sagte Lola. »Sie ist vor ungefähr zehn Minuten mit einem Kunden weg. Sollte gleich fertig sein.«
    »Danke«, erwiderte Will. Er steckte die Hände in die Hosentaschen, weil es so kalt war. Er hatte das Haus so überstürzt verlassen und deshalb seinen Mantel vergessen.
    Hinter ihm wurde eine Autotür zugeknallt. Eine Frau war ausgestiegen. Sie griff sich vor Wills Augen zwischen die Beine, wischte sich ab und schüttelte dann die Hand aus. Sie starrte Will an und dann mit einem fragenden Blick die anderen Mädchen.
    »Er ist Robins Bruder«, erklärte Lola.
    Die Frau stolzierte mit ihrem Nuttengang an Will vorbei und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Wenn ich so einen Bruder hätte, war ich nie von zu Hause weg.«
    Will sah auf die Uhr. Er fing an, auf und ab zu gehen, um ein wenig die Anspannung zu lösen, aber jede Sekunde, die verging, ohne dass Angie auftauchte, machte alles nur noch schlimmer.
    Sie tat das immer, brachte sich immer in Schwierigkeiten, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, dass Will unter den Folgen zu leiden hatte. So lange er Angie kannte, war sie mit Menschen hart umgesprungen, hatte immer ausprobiert, wie weit sie gehen konnte. Es war ein Spiel, das sie eines Tages das Leben kosten würde, und dann wäre Will derjenige, der auf der Couch saß und sich von einem anderen Pechvogel von Polizisten die Hand halten und sich sagen lassen musste, dass man sie erwürgt, erschlagen, vergewaltigt, ermordet aufgefunden hatte.
    Die Mädchen hatten sich miteinander unterhalten, doch jetzt waren sie still geworden. Aus dem Wald kam ein Rascheln, und dann sah er Angie mit einer Taschenlampe in der Hand heraustreten.
    Sie starrte Will an, dann die Mädchen, dann wieder Will. Der Mund war zusammengekniffen, die Augen funkelten vor Wut. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder in den Wald. Will folgte ihr.
    »Bleib stehen«, sagte er und versuchte, sie einzuholen. »Bleib doch bitte stehen.«
    Da sie nicht auf ihn hörte, musste er wohl oder übel dem Strahl ihrer Taschenlampe folgen.
    Nach ein paar Metern drehte sie sich plötzlich um. »Was, zum Teufel, willst du hier?« Ihr Ton war scharf wie ein Messer.
    »Ich bin nur dein Bruder, der dir einen Besuch abstattet.«
    Angie warf einen Blick über seine Schulter, und Will tat es ihr gleich. Die Mädchen vor dem Schnapsladen waren noch deutlich zu sehen. Sie versuchten erst gar nicht, ihre Neugier zu verbergen.
    Sie flüsterte mit heiserer Stimme: »Scheiße, das ist der falsche Ort für so was, Will. Lola ist bereits argwöhnisch.«
    Er hielt ihr Shelleys Strafregisterauszug vors Gesicht. Sie schaute zweimal hin, als sie das Foto sah, und er hätte schwören können, dass ihr Blick sanfter wurde.
    »Lies das«, befahl er. »Lies es mir vor, damit ich sehe, ob ich alles richtig verstanden habe.«
    Angie richtete die Taschenlampe auf die erste Seite. Er sah ihren Blick beim Lesen über die Zeilen wandern. Sie hob den Kopf und sagte »Will«, als wäre er unvernünftig.
    »Lies es vor.«
    Sie klemmte sich die Taschenlampe so unter den Arm, dass der Lichtstrahl direkt auf den Bericht fiel, und blätterte zur zweiten und dritten Seite.
    Danach schaute sie ihn wieder an. »Und?«
    Er hätte sie am liebsten geschüttelt. »Hast du gelesen, was da steht?«
    Seelenruhig blätterte sie zurück zur ersten Seite und las mit gelangweilter Stimme: »Jonathan Winston Shelley, ein Meter dreiundachtzig, fünfundachtzig Kilo, braune Haare, braune Augen. Vorbestraft wegen Ladendiebstahls. Einlieferung 10. Mai 1986, Coastal State Prison, Hochsicherheitstrakt, Flügel für spezielle Gefangene, Alter: sechzehn Jahre. Auf Bewährung entlassen am 22. Juli 2005, Alter: fünfunddreißig Jahre. Registriert als Sexualstraftäter,

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