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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Gesamtstrafe verbüßt, und einige sahen wirklich aus wie Männer, denen man zulächeln würde, wenn man ihnen auf der Straße begegnete. Die Zeit kroch dahin, aber Will arbeitete weiter, bis er nur noch drei Strafregisterauszüge vor ihm lagen.
    Will streckte sich und spürte die harte Kante des Stuhl an seinem Rückgrat. Ein Knie stieß gegen den Tisch, und der Monitor sprang an.
    Im Posteingang fand er eine E-Mail von Amanda, aber er hatte keine Lust, sie zu lesen. Dann gab es noch zwei Anfragen von Caroline, Amandas Sekretärin, bezüglich gewisser Indizien in einem Fall. Will startete sein Spracherkennungsprogramm und diktierte eine Antwort ins Mikrofon, ließ dann die Rechtschreibprüfung über den Text laufen und ihn sich schließlich
    vom Computer laut vorlesen. Nachdem er sich versichert hatte, dass die Wörter auch einen Sinn ergaben, markierte er den Text, baute ihn in ein E-Mail-Formular ein und ließ noch einmal die Rechtschreibprüfung darüberlaufen, bevor er die Mail abschickte.
    Ein heißer Börsentipp war angekommen, während Will mit der E-Mail beschäftigt war, und er klickte ihn in den Papierkorb. Dann öffnete er dieses Verzeichnis und löschte den ganzen Müll, den er dorthin geschickt hatte.
    Will dachte sich, wenn es Olympiamedaillen für Zeitverschwendung gäbe, dann wäre er ein guter Kandidat wenigstens für Bronze. Und er konnte ja noch mehr tun. Er öffnete sein Spam-Verzeichnis, markierte alles und fuhr mit dem Cursor auf LÖSCHEN. Eine Meldung sprang auf, und anhand ihrer Form nahm Will an, dass er gefragt wurde, ob er das wirklich tun wolle. Er klickte »okay« und sah dann zu, wie die Spam-Mails von der Liste verschwanden.
    Will kehrte zurück zu seiner ungelesenen Mail, weil er dachte, er könne sich ein paar Augenblicke Zeit nehmen, um herauszufinden, was Amanda zu sagen hatte. Eine neue Mail von Caroline war angekommen. Wahrscheinlich machte sie einfach nur einen Witz darüber, dass sie beide noch so spät arbeiteten, aber im Augenblick hätte Will sogar ein Angebot für pflanzliches Viagra geöffnet, um das Lesen der Berichte auch nur für eine Sekunde hinauszögern zu können.
    Carolines Mail hatte im Anhang eine jpeg-Datei, und er lud sie herunter, bevor er den Text markierte und in sein Vorleseprogramm kopierte. Betty bewegte sich auf der Couch und gab ein gedämpftes Bellen von sich. Will drehte den Kopf, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Das Hündchen lag auf dem Rücken und strampelte mit den dünnen Beinen, während es träumte von - wovon Hunde eben so träumten. Käse vielleicht?
    Will wandte sich wieder dem Computer zu, und das Grinsen verschwand, als er auf den Monitor schaute. Das Foto war inzwischen vollständig heruntergeladen. Der Junge war etwa sechzehn. Die Haare hingen ihm bis zum Kragen, und der Mund war zu einem schiefen Grinsen verzogen, das automatisch kam, wenn man in jedem Urlaub und bei jedem Familienausflug eine Kamera vors Gesicht gehalten bekam. Er hielt sich ein schwarzes Schild vor die schmale Brust. Die Haut seiner Fingerkuppen war schrundig, weil er sich die Nägel bis zum Fleisch abgeknabbert hatte. Will versuchte gar nicht, das Schild zu lesen, er wusste, dass ein Name darauf stand, das Datum der Verurteilung, das Verbrechen. Es waren die Augen, die den Jungen verrieten.
    Von fünfzehn bis fünfunddreißig konnte sich einiges ändern, aber die Augen blieben gleich: die Mandelform, das Farbenspiel der Iris, die außergewöhnlich langen Wimpern, fast wie die eines Mädchens.
    Das Foto des Strafregisterauszugs, den Will gerade hatte lesen wollen, lag noch neben seinem Arm. Er hielt es in die Höhe. Es war nicht zu übersehen, dass aus dem Jungen auf dem Monitor der Verbrecher auf dem Foto geworden war.
    Will lud Carolines Mail ins Vorleseprogramm. Er drehte die Lautstärke an und klickte auf der Menü-Zeile auf »Vorlesen«. Die Wörter kamen langsam und metallisch; der Inhalt war jedoch so, dass er sich fühlte, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen.
    Dann war das Programm zu Ende. Will brauchte den Text kein zweites Mal zu hören.
    Er schnappte sich den Autoschlüssel.
    Angies Lieutenant hatte Will gesagt, sie arbeite vor einem Schnapsladen an der Cheshire Bridge Road. Den Laden fand Will problemlos, doch Angie war nicht unter den Prostituierten, die an dem Gebäude lehnten.
    »Ich suche jemanden«, sagte er.
    »Ich auch, Hübscher.«
    »Nein«, sagte Will. Er wusste, dass Angie nicht unter ihrem richtigen Namen hier arbeitete,

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