Will Trent 01 - Verstummt
Pädophiler.«< Sie blickte wieder hoch und wiederholte: »Und?«
»Lies die letzte Seite«, forderte er sie auf und meinte damit seinen Ausdruck von Carolines E-Mail. Shelleys Strafregisterauszug war kurz und gab nur die dürren Fakten seines Verbrechens an, aber die Berichte, die Caroline gefunden hatte, lieferten zusätzlich alle grausigen Details.
»Lies das«, verlangte er.
Sie wollte nicht. Er erkannte das an dem stählernen Blick, mit dem sie ihn anstarrte.
Er fragte: »Soll ich es dir vorlesen?«
»Ich habe nur eine Stunde Pause fürs Abendessen.«
Er riss ihr die Seiten aus der Hand und versuchte, den richtigen Abschnitt zu finden. Er war so wütend, dass die Wörter auf der Seite sich verdrehten und miteinander verschmolzen. »Ko...«, versuchte er. Will spürte einen messerscharfen Schmerz an seiner Schläfe. Verdammt, er kannte mindestens zwei der Wörter. »Jonathan Shelley.« Er versuchte es mit einem anderen. »Rot. Nein, er... tot. Er tötete...«
Angie legte die Hand auf seine. Sie versuchte, den Bericht an sich zu nehmen, aber er ließ ihn nicht los. »Na komm«, sagte sie sanft und zog ihm die Seiten aus der Hand.
Will ballte die Fäuste und starrte zu Boden. O Mann. Kein Wunder, dass sie es mit ihm nicht aushielt.
»Tut mir leid«, sagte sie nun leise.
Will wäre am liebsten im Boden versunken.
»Tut mir leid.«
»Ich hab es schon einmal gelesen.«
»Das weiß ich«, erwiderte sie und nahm wieder seine Hand. »Schau mich an, Will. Es tut mir leid.« Er konnte sie nicht ansehen. »Soll ich es dir laut vorlesen?« »Ist mir egal, was du machst.«
»Will.«
Er wusste, dass er bockig klang, aber er konnte nicht aufhören. »Total egal.«
Die Taschenlampe war auf den Boden gefallen. Sie bückte sich, um sie aufzuheben, doch ohne seine Hand loszulassen. Sie richtete den Strahl auf die Seite und las: »Am 15. Juni 1985 vergewaltigte Shelley Mary Alice Finney, eine fünfzehnjährige Weiße und entfernte ihr die Zunge mit einem gezackten Küchenmesser, was zu ihrem Tod führte. Zusätzlich fügte Shelley dem Opfer mehrere tiefe Bissverletzungen zu und urinierte auf die Leiche. Am Tatort und auf der Leiche wurden Shelleys blutige Fingerabdrücke gefunden. Die Mordwaffe wurde in Shelleys Schlafzimmerschrank entdeckt. Bekannte Drogenabhängigkeiten: Heroin, Kokain.«
»Angie.« Mehr brachte Will nicht heraus.
Sie schwieg und ließ einige Autos passieren, bevor sie sagte: »Weißt du noch, ich habe dir doch erzählt, dass Michael Ormewood an diesem einen Abend hier vorbeigekommen ist?«
Er hatte von diesem Ormewood mehr als genug. Wenn er den Namen dieses Mannes nie mehr hören müsste, dann würde er als glücklicher Mensch sterben.
Angie fuhr fort: »Er sagte uns, wir sollten auf der Hut sein vor einem kürzlich entlassenen Sexualstraftäter namens John Shelley. Er meinte, das wäre ein wirklich übler Knabe und wir sollten uns von ihm fernhalten.« Sie schaute auf die Papiere hinunter. »Michael war auf der Decatur Highschool. Er muss in der Gegend aufgewachsen sein.«
»Hast du es geschafft, ihn nach seiner Kindheit zu fragen, während du ihm einen geblasen hast?«
»Soll ich dir auch einen blasen, Will? Geht's dir darum?«
Er schlug ihre Hand weg. »Lass das.«
»Ich habe seine Personalakte gelesen«, sagte sie.
»Aus irgendeinem Grund bist du an Michael sehr interessiert. Was ist so anders an ihm? Warum ist er so was Besonderes?«
»Du hörst mir nicht zu.« Sie redete mit ihm wie mit einem Kind, und das gefiel ihm nicht. »Michael ging in die Decatur Highschool, also muss er in der Gegend gelebt haben. Er war ein paar Jahre älter als John, aber von dem Verbrechen hätte er sicher etwas mitbekommen. Und die Sache mit der Zunge hätte er auch gewusst. Warum hat er es denn dir gegenüber nicht erwähnt? Warum sagte er nicht: >Hey, das erinnert mich an eine Sache, die vor zwanzig Jahren in meiner Nachbarschaft passiert ist.<«
Will war zu erregt, um über diese Frage nachzudenken. »John hat mir erzählt, dass ihn irgendjemand erpresst«, sagte sie.
Will lachte. »Du glaubst, Michael Ormewood weiß, dass da ein Kerl herumläuft, der Frauen vergewaltigt, ermordet und ihnen die Zunge herausschneidet, aber anstatt ihn zu verhaften, erpresst Ormewood ihn. Aber wozu? Was könnte John Shelley haben, was Michael Ormewood von ihm will?«
»Wie erklärst du, dass Michael mir sagte, ich soll auf der Hut sein vor John Shelley? Wie erklärst du, dass er mit keinem Wort erwähnte, dass
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