Will Trent 01 - Verstummt
schwieg, weil er wusste, dass sie recht hatte.
»Hast du Johns Fingerabdrücke auf irgendwas? Irgendwelche Zeugen? Irgendjemand, der irgendwas gesehen hat?«
Jasmine, dachte Will. Vielleicht hatte sie etwas gesehen? Wenn ja, dann lag sie jetzt wahrscheinlich auf dem Grund irgendeines Sees.
Angie fasste zusammen: »Keine forensischen Beweise, keine Zeugen und keinen Fall. Du hast recht, Will. Wir gehen jetzt los und verhaften ihn sofort, wie wär's?«
»Er könnte jetzt im Augenblick sein nächstes Opfer ausspähen«, sagte Will und behielt für sich, dass Angie durchaus die nächste Frau sein konnte, die er im Visier hatte.
»Wenn du ihn jetzt verhaftest, musst du ihn in vierundzwanzig Stunden wieder freilassen, und wenn wirklich Shelley der Täter ist, dann weiß er, dass du ihm auf den Fersen bist, und taucht so tief unter, dass du ihn nie mehr finden wirst.«
»Was schlägst du dann vor? Abwarten, bis noch ein Mädchen vergewaltigt wird? Vielleicht ermordet?« Will gab zu bedenken: »Er könnte jetzt im Augenblick sein nächstes Opfer massakrieren, Angie. Was ist, wenn er Jasmine hat? Soll ich herumsitzen, während er die letzten Minuten ihres Lebens abzählt?«
»Mit mir wird er reden. Er weiß nicht, dass ich Polizistin bin.«
»Was hast du nur mit diesem Kerl, Angie? Warum siehst du ihn nicht als das, was er ist?«
»Vielleicht ist es ja gut, dass ich Männer nicht nach dem beurteile, was sie in der Vergangenheit gemacht haben.«
»War das jetzt gegen mich gerichtet?«
»Lass mich mit ihm reden«, flehte sie. »Du kannst sein Haus bis morgen früh beobachten, damit er nicht abhaut. Wenn er dieses kleine Mädchen wirklich hat, kann er sie nicht anrühren, ohne dass du es mitbekommst. Ich gehe morgen früh zur Waschanlage und rede mit ihm.« »Glaubst du, dass er dir vertraut?«
»Wenn er unschuldig ist...« Sie nickte. »Ja. Ich kann ihn zum Sprechen bringen.«
»Und wenn er es nicht ist?«
»Dann bist ja du da.« Sie versuchte tatsächlich, ihn zu necken. »Du wirst mich beschützen, nicht, Willy?«
»Über so was macht man keine Witze.«
»Ich weiß.« Sie schaute noch einmal über seine Schulter zu den Mädchen. »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.«
»Mir gefällt das nicht«, sagte er. »Mir gefällt das überhaupt nicht, und ich will es nicht machen.«
»Das ist doch für uns beide nichts Neues, oder?« Sie legte ihm die Hand an die Wange, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Geht jetzt, Will.«
»Ich will dich nicht allein lassen.«
»Dir bleibt nichts anderes übrig.«
Kapitel 33
70. Februar 2006 7.22 Uhr
John saß auf einem Hocker an der Theke des Empire Diner. Mit einem Mordshunger war er durch die Tür getreten, aber als dann sein Essen kam, brachte er aus irgendeinem Grund nur ein paar Bissen hinunter. Die Nerven hatten seinen Magen im Griff, während er darauf wartete, dass sein Leben neu begann.
Fast die ganze Nacht hatte er mit Kathy und Joyce zusammengesessen. Sie hatten versucht, einen Schlachtplan aufzustellen. Kathy wollte zur Polizei gehen, aber das Einzige, worauf die Shelley-Kinder sich einigen konnten, war, dass man der Polizei nicht trauen durfte. Michael würde nie reden. Er war viel zu gerissen, um sich eine Blöße zu geben. Johns Kreditauskunft würde vielleicht einige Fragen aufwerfen, aber es konnte durchaus sein, dass die Antworten auf John selbst zurückfielen. Letztendlich hatten sie beschlossen, dass Joyce ihre Kontakte zum Bezirksarchiv nutzen und versuchen sollte herauszufinden, wo Tante Lydia jetzt lebte. Onkel Barry war nur wenige Jahre mit ihr verheiratet gewesen, bevor er starb, und unter dem Familiennamen Carson hatten sie nichts finden können. Aber irgendwo musste es eine Spur geben. War die erst einmal gefunden, würden die Shelley-Kinder Lydia zur Rede stellen, sie fragen, welche Rolle sie eigentlich dabei gespielt hatte, John dieses Verbrechen anzuhängen. Offensichtlich hatte sie ihre Sünden schon einmal gebeichtet. Sie würden sie keinen Augenblick mehr in Ruhe lassen, bis sie sie ein zweites Mal gestand - diesmal jedoch fürs Protokoll.
301
Was Johns eigene Geständnisse anging, so hatte er seiner Schwester und ihrer Partnerin nicht alles erzählt. Bis zu einem gewissen Punkt war er so ehrlich gewesen wie möglich. Von Michaels Nachbarin hatte er nichts verlauten lassen. Bei dem Gedanken an das, was er getan hatte, daran, wie tief er gesunken war, wurde ihm schlecht. John hatte geglaubt, Michael sei das Tier, doch in diesem einen
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