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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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wusste nicht, ob Tante Lydia das Richtige tun würde oder nicht, aber John dachte, dass er jetzt den Rest seines Lebens in Frieden leben konnte, einfach nur, weil Joyce ihm zum ersten Mal in zwanzig Jahren glaubte.
    Robin klopfte mit dem Löffel zweimal an die Tasse und legte ihn dann ab. »Aber was ist dann mit dir passiert, John? Wie bist du im Gefängnis gelandet?«
    Er zuckte die Achseln. »Der falsche Umgang.«
    Sie lachte, hielt es aber offensichtlich nicht für lustig. »Ich nehme an, du warst unschuldig.«
    Sie hatte das vor zwei Tagen im Krankenhaus schon einmal gefragt, und er gab ihr die Standardantwort. »Im Gefängnis ist jeder unschuldig.«
    Robin schwieg und starrte in den Spiegel hinter der Theke.
    »Und«, sagte er, weil er das Thema wechseln wollte, »mit wem war dann dein erster Kuss?«
    »Mein erster wirklicher Kuss?«, fragte sie. »Der erste Kerl, den ich küsste, weil ich ihn wirklich küssen wollte?« Sie schien darüber nachzudenken. »Ich hatte ihn im staatlichen Kinderheim kennengelernt«, sagte sie schließlich. »Wir waren fünfundzwanzig Jahre zusammen.«
    John blies in seinen Kaffee, trank einen Schluck. »Das ist eine lange Zeit.«
    »Ja, schon.« Sie nahm den Löffel wieder in die Hand. »Ich habe herumgevögelt, ihn ziemlich oft betrogen.«
    John verschluckte sich an seinem Kaffee.
    Sie lächelte, aber eher in sich hinein. »Wir trennten uns vor zwei Jahren.«
    »Warum?«
    »Weil, wenn man jemanden so lange kennt, wenn man mit so jemandem aufwächst, dann ist man einfach zu...«, sie suchte nach einem Wort, »...zu weit offen. Zu verletzlich. Ich weiß alles über ihn, und er weiß alles über mich. So jemanden kann man nicht wirklich lieben. Ich meine, natürlich kann man ihn lieben - er ist ein Teil von mir, ein Teil meines Herzens. Aber man kann nie so mit demjenigen zusammen sein, wie man es gerne möchte. Ihn nicht lieben wie einen Geliebten.« Sie zuckte die Achseln. »Wenn er mir wirklich am Herzen liegen würde, würde ich ihn verlassen, damit er sein eigenes Leben führen kann.«
    John wusste nicht, was er darauf sagen sollte. »Er ist verrückt, wenn er dich gehen lässt.«
    »Na ja, es gibt da noch mehr als nur meine Seite der Geschichte«, gab sie zu. »Ich bin eine wirkliche Hexe, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest. Was ist mit dir?«
    »Mit mir?«, fragte John überrascht.
    »Hast du eine Freundin?«
    Er lachte. »Soll das ein Witz sein? Ich war sechzehn, als ich reinkam. Die einzige Frau, die ich je gesehen habe, war meine Mutter.«
    »Was war mit...« Sie beendete den Satz nicht. »Du warst doch noch ein Junge, richtig? Als du ins Gefängnis kamst?«
    John spürte seine Kiefer mahlen. Er nickte, ohne sie anzusehen, und versuchte, nicht an Zebra zu denken, an diese schwarz-weißen Zähne, an diese Hände, die sein Genick nach unten drückten.
    Falls sie sein Eingeständnis bemerkte, sagte sie nichts dazu. Stattdessen blies sie in ihren Kaffee, nahm schließlich einen Schluck und sagte: »Scheiße, der ist kalt.«
    John winkte der Kellnerin.
    »Na, wie geht's euch?«, fragte die Frau.
    »Danke, gut«, erwiderte John und ließ sich seine Tasse noch einmal nachfüllen. Er war an so viel Koffein am Morgen nicht gewöhnt, und seine Hände schwitzten. Vielleicht war er aber auch einfach nur wegen Robin nervös. Sie redete mit ihm, als würden sie einander gut kennen. John konnte sich nicht erinnern, in seinem Leben je ein solches Gespräch geführt zu haben.
    Die Kellnerin meinte: »Sagt mir Bescheid, wenn ihr was braucht.«
    Robin wartete, bis die Frau gegangen war, bevor sie fragte: »John, was hast du eigentlich die ganze Zeit getan, die du draußen bist?«
    »Ich habe versucht, wieder Anschluss an meine Familie zu finden«, antwortete er. Und dann konnte er nicht anders als hinzuzufügen: »Ich suche nach meinem Cousin. Es gibt da einige Sachen, die wir klären müssen.«
    Robin schaute über die Schulter zu einem Mann, der in einer Ecknische saß. John musterte den Kerl im Spiegel und fragte sich, ob er einer ihrer Kunden war. Der Mann trug einen dreiteiligen Anzug. Er war vermutlich Anwalt oder Arzt mit einer Familie zu Hause.
    »John?« Er schaute wieder zu Robin. Sie überraschte ihn mit der Frage: »In welcher Art von Schwierigkeiten bist du?« »In keiner.«
    »Du hast gesagt, dass jemand dich erpresst.«
    Er nickte. »Hab ich, ja.«
    »Wer?«
    John legte die Hände um die Tasse. Er hätte ihr gern geantwortet, ihr alles erzählt, was passiert war, aber

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