Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
waren genauso vorgegangen, als sie ihn aus seinem Schlafzimmer zerrten. Sie hatten ihn die Treppe hinunter- und vors Haus geführt und ihm vor den Augen der gesamten Nachbarschaft die Handschellenangelegt. Irgendjemand hatte geschrien, und als er sich umdrehte, erkannte er, dass es seine Mutter war. Emily war auf die Knie gesunken. Richard hatte nicht einmal versucht, sie zu stützen, und sie weinte.
    Die Sonne auf dem Parkplatz vor dem Diner war brutal, und John blinzelte. Er merkte, dass er keuchte. Gefängnis. Sie brachten ihn ins Gefängnis. Sie würden ihm seine Kleidung wegnehmen, eine Leibesvisitation durchführen, seine Fingerabdrücke nehmen und ihn in eine Zelle zu einer Horde anderer Männer werfen, die nur darauf warteten, dass er wieder auftauchte, nur darauf warteten, ihm zu zeigen, was sie von einem verurteilten Kindervergewaltiger hielten, der es draußen nicht schaffte.
    »Will.« Sie redete mit dem Mann hinter John. »Tu's nicht.«
    John sah die silberglänzenden Handschellen, die der Mann in der Hand hielt.
    »Bitte...«, brachte John gerade noch heraus. Er konnte nicht atmen. Seine Knie gaben nach. Das Letzte, was John sah, war Robin, die ihn auffing.

Kapitel 34
    8.55 Uhr
    Angie fühlte sich schmutzig. Auch nach einer kochend heißen Dusche kam sie sich vor, als würde sie den Dreck in sich nie loswerden.
    Dieser Ausdruck auf Johns Gesicht, die Angst, das Gefühl, verraten worden zu sein, hatten sie ins Herz getroffen wie ein schartiges Stück Metall. Will hatte John zum Auto getragen und ihn auf den Rücksitz gesetzt wie ein Kind, während Angie nur dastand und dachte: Das sind die beiden Männer, deren Leben ich am gründlichsten ruiniert habe.
    Sie ging weg, bevor Will sie davon abhalten konnte.
    Was hatte John Shelley nur an sich, dass sie ihn unbedingt retten wollte? Vielleicht lag es daran, dass er ganz allein war auf der Welt, dass er seine Einsamkeit trug wie eine Rüstung, die nur Angie sehen konnte. Er war wie Will. Genau wie Will.
    Obwohl sie ihr Haus erst vor ein paar Tagen von oben bis unten geputzt hatte, zog Angie Gummihandschuhe an und machte sich an die Arbeit. Im Bad benutzte sie Unmengen von Scheuermittel, bearbeitete die blitzend weißen Fugen mit einer Zahnbürste. Will hatte ihr die Fliesen verlegt, in diagonaler Anordnung, weil dadurch der Raum größer wirkte. Die Wände hatte er creme-gelb gestrichen und für die Zierleisten eine gedeckt weiße Ölfarbe benutzt, doch Angie hatte ihn wegen seines Talents als Raumgestalter nur verarscht.
    Sie sollte ihn anrufen. Will machte nur seine Arbeit. Er war ein guter Polizist, aber auch ein guter Mann, und es war nicht richtig, dass sie ihn bestrafte, weil John Shelley sich in etwas Schlimmes hatte hineinziehen lassen. Sobald sie mit dem Hausputz fertig war, würde sie Will auf dem Handy anrufen und ihm sagen, dass sie nur die Situation hasste, nicht ihn.
    Als Nächstes nahm Angie sich die Küche vor. Sie räumte alle Töpfe und Pfannen heraus und wischte sämtliche Schränke. Immer und immer wieder ließ sie Revue passieren, was an diesem Morgen geschehen war, und überlegte sich, ob sie es irgendwie hätte anders machen können.
    »Scheiße«, fluchte Angie. Sie brauchte Auslegefolie. Es war blöd, die Schränke auszuwischen, wo sich doch der meiste Dreck wahrscheinlich unter der Folie befand. Sie zupfte an dem klebrigen Vinyl am Boden des Spülunterschranks und zerriss es in zwei Teile. Darunter war alles sauber, aber jetzt hatte sie die Folie kaputt gemacht. Angie stand auf, um sich neue zu holen, aber noch während sie zur Abstellkammer ging, fiel ihr ein, dass sie keine mehr hatte.
    »Scheiße«, sagte sie noch einmal, riss sich die Gummihandschuhe herunter, warf sie ins Spülbecken und ließ noch ein paar Kraftausdrücke folgen, während sie nach ihren Schlüsseln suchte.
    Zehn Minuten später saß sie in ihrem Auto, fuhr aber nicht zum Supermarkt, sondern die Ponce de Leon hinauf zum Stone Mountain. Sie wusste, wo Michael wohnte. Nachdem sie miteinander gefickt oder, genauer, Michael sie gefickt hatte, hatte Angie eine kleine Obsession entwickelt. Sie war ein paarmal an seinem Haus vorbeigefahren, hatte seine Frau und seinen Jungen in der Auffahrt und ihn beim Autowaschen gesehen. Dieses Verhalten legte sie nach ungefähr einer Woche ab, denn sie erkannte ziemlich schnell, dass sie sich aufführte wie eine Geistesgestörte. Es war ja nicht Michael, auf den sie wütend war, sondern auf sich selbst, weil sie sich mal wieder

Weitere Kostenlose Bücher