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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Küchenmüllbeutel herauszuziehen, die er in den Abfallkörben im Laden bemerkt hatte. Er war vorsichtig, knotete jeden einzelnen Sack auf, anstatt ihn aufzureißen, um ihn zu durchsuchen, und verschloss ihn dann mit dem gleichen Knoten wieder, bevor er sich an den nächsten machte. Nach dreißig Minuten Wühlen im Müll des Ladens musste er über seine Situation lachen. In den Müllbeuteln befanden sich genug Informationen - Sozialversicherungsnummern, Adressen, berufliche Biografien -, um einen groß angelegten Betrug aufzuziehen. Doch danach suchte er nicht. Er war kein Betrüger und kein
    Dieb. Er wollte zwar Informationen, aber nur seine eigenen, und natürlich fand er die erst in dem letzten Beutel, den er öffnete.
    Er hielt das Blatt schief, so dass er es im Licht der Sicherheitslampe besser lesen konnte.
    Dieselbe Sozialversicherungsnummer. Dasselbe Geburtsdatum. Dieselbe frühere Adresse.
    Jonathan Winston Shelley, fünfunddreißig Jahre alt, besaß zwei Mastercards, eine Visa-Karte und eine Shell-Benzin-Karte. Seine Adresse war ein Postfach mit der Postleitzahl 30316, was bedeutete, dass er irgendwo im südöstlichen Atlanta wohnte -mehrere Meilen entfernt von Johns augenblicklicher Unterkunft in dieser Absteige an der Ashby, ganz in der Nähe des Capitols des Staates Georgia.
    Seine Kreditwürdigkeit war ausgezeichnet, sein Girokonto bei einer örtlichen Bank ausgeglichen. Offensichtlich war er ein ziemlich verlässlicher Kunde, und das bereits seit etwa sechs Jahren. Bis auf eine »verzögerte Zahlung« bei der Shell-Karte waren alle seine Kreditgeber zufrieden mit seiner Zahlungsmoral, was er irgendwie lustig fand, wenn man bedachte, dass er in den letzten zwanzig Jahren nicht viel unter die Leute gekommen
    war. Die Gefängniswärter hatten ein ziemlich wachsames Auge auf einen, wenn man eine zweiundzwanzigjährige bis lebenslange Strafe wegen der Vergewaltigung und Ermordung eines fünfzehnjährigen Mädchens absaß.

Kapitel 8
    John hatte Mary Alice Finney schon sein ganzes Leben lang gekannt. Sie war das gute Mädchen, das hübsche Cheergirl, die Einserschülerin, die Person, die so ziemlich jeder in der Schule kannte und mochte. Klar, es gab auch einige Mädchen, die sie hassten, aber das taten Mädchen immer, wenn sie sich bedroht fühlten: Sie hassten. Sie verbreiteten fiese Gerüchte. Sie sagten einem Nettigkeiten ins Gesicht, aber sobald man ihnen den Rücken kehrte, rammten sie einem das Messer so tief rein, wie es ging, und drehten es zur Sicherheit noch einmal um. Das ist auch in der richtigen Welt so; wenn es eine Frau gibt, die im Leben gut zurechtkommt und erfolgreich ist, wird es immer auch eine Handvoll anderer Frauen geben, die herumstehen und sagen, sie sei eine Schlampe oder sie habe sich nach oben geschlafen. Genau so funktionierte die Welt, und im Mikrokosmos der Decatur Highschool war es nicht anders.
    Später fand John sogar heraus, dass es ganz ähnlich zuging wie im Gefängnis.
    Die Shelleys lebten ein paar Straßen von den Finneys entfernt in einem von Decaturs besseren Vierteln in der Nachbarschaft des Agnes Scott College. Ihre Mütter kannten sich, gehörten sie doch beide zu diesem kleinen, geschlossenen Kreis der oberen Mittelschicht. Sie trafen sich, wie die Frauen von Ärzten und Anwälten sich immer trafen, bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Spendenaktionen für die örtliche Highschool, das Krankenhaus, das College - welche Organisation eben gerade als Vorwand herhalten musste, um ein rauschendes Fest zu veranstalten und Fremde in ihre prächtig eingerichteten Häuser einzuladen. Richard Shelley war Onkologe, Chef der Krebsabteilung im Decatur Hospital. Seine Frau Emily hatte früher als Immobilienmaklerin gearbeitet, den Job aber aufgegeben, als Joyce, ihr erstes Kind, geboren wurde. John kam drei Jahre später, und die Shelleys glaubten, ihre Welt sei nun perfekt.
    Emily gehörte zu den Müttern, die sich ganz dem Muttersein widmeten. Sie war aktiv im Elternbeirat, verkaufte die meisten Pfadfinder-Plätzchen und brachte das Ende der meisten Schuljahre damit zu, Kostüme für das Abschlussfest der Quaker Friends School zu nähen. Als ihre beiden Kinder dann größer wurden und sie nicht mehr brauchten - oder vielleicht auch nicht mehr wollten -, hatte sie plötzlich sehr viel Zeit übrig. Als John in der Junior Highschool und Joyce nur noch zwei Jahre vor dem College war, fing sie wieder an, halbtags in der Immobilienagentur zu arbeiten, nur damit sie eine

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