Will Trent 01 - Verstummt
frühere Adresse in Garden City?« »Ja, Sir.«
Er fasste die Situation für den Jungen zusammen. »Du glaubst, dass es da draußen noch einen anderen Jonathan Shelley mit meinem Geburtsdatum und
meiner früheren Adresse gibt, der in Atlanta lebt und eine Sozialversicherungsnummer hat, die meiner sehr ähnlich ist?«
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»Nein - ich meine, ja.« Auf Randalls Oberlippe bildete sich Schweiß, und seine Stimme begann zu zittern. »Tut mir leid, Mister. Ich könnte meinen Job verlieren, wenn ich Ihnen die Informationen zeigen würde. Sie können sich selbst umsonst eine Kopie schicken lassen. Ich kann Ihnen die Nummer...«
»Vergiss es«, sagte er und kam sich vor wie ein Monster, weil er den Jungen so bedrängt hatte. Die Angst in seinen Augen schnitt wie eine Glasscherbe. John machte kehrt, ging durch den Laden und vorbei an dem Fernseher, den er eigentlich wollte, und war draußen, bevor er etwas sagen konnte, das er bedauern würde.
Anstatt nach Hause zu gehen, überquerte John die Straße und setzte sich auf die Bank neben der Bushaltestelle. Er nahm sich eins der kostenlosen Stadtteilblättchen aus dem Kasten und blätterte darin. Die Straße war vierspurig, aber dennoch ziemlich belebt. Mit der Zeitung als Deckung beobachtete er den Laden, sah zu, wie Randall und seine Kollegen Leute bequatschten, wider besseres Wissen mit einer Unterschrift ihr Leben zu verpfänden.
Kreditauskunft, Kreditkarten, Kreditwürdigkeit. Scheiße, er hatte keine Ahnung, was da lief.
Ein Bus kam, und der Fahrer warf John durch die offene Tür einen Blick zu. »Wollen Sie mit?«
»Der nächste«, sagte John, und dann: »Danke, Mann.« Er mochte die MARTA-Busfahrer. Sie hatten keine Vorurteile. Solange man den Fahrpreis bezahlte und keine Scherereien machte, hielten sie einen für einen normalen Menschen.
Heiße Luft zischte ihm ins Gesicht, als der Bus weiterfuhr. John blätterte zur nächsten Seite und dann wieder zurück zur ersten, weil er merkte, dass er sie nicht gelesen hatte. Zwei Stunden saß er an der Bushaltestelle, dann drei, ging nur einmal kurz weg, um hinter einem verlassenen Gebäude zu pinkeln.
Um acht Uhr verließ Randall den Laden. Er stieg in einen verrosteten Toyota, drehte den Zündschlüssel um und schickte die entsetzlichste Musik, die John je gehört hatte, in einen ansonsten stillen Abend. Es war seit mindestens einer Stunde dunkel, aber Randall hätte John auch nicht bemerkt, wenn es taghell gewesen wäre. Der Junge war vermutlich erst siebzehn oder achtzehn. Er hatte ein eigenes Auto, einen gut bezahlten Job und keine Probleme außer dem Arschloch mit der hohen
Kreditwürdigkeit, das an diesem Nachmittag versucht hatte, ihn einzuschüchtern.
Der Geschäftsführer kam heraus. Zumindest vermutete John, dass es der Geschäftsführer war: ein älterer Mann, die Haare quer über die Platte gekämmt, gelbliche Haut und ein breiter Arsch, der davon kam, dass er den ganzen Tag nur herumhockte und zu Leuten Nein sagte.
Das Ächzen des Kerls war bis über die Straße zu hören, als er die Hand nach oben streckte und das Maschendrahtgitter herunterzog, das die vorderen Fenster des Ladens schützte. Er stöhnte noch einmal, als er sich bückte, um das Ding abzuschließen, und dann ein drittes Mal, als er sich wieder aufrichtete. Nachdem er sich gestreckt hatte, ging er zu einem braungrauen Ford Taurus und setzte sich hinters Steuer.
John wartete, bis der Kerl den Sicherheitsgurt angelegt, den Rückspiegel ausgerichtet und den Rückwärtsgang eingelegt hatte. Der Taurus stieß zurück, das Hecklicht weiß neben den roten Bremsleuchten, wendete und verließ den Parkplatz mit einem Motorengeräusch, das eher klang wie das Tuckern eines Golfkarrens.
Zehn Minuten, fünfzehn. Dreißig Minuten. John stand auf und stöhnte nun ebenfalls. Seine Knie knackten, und sein Arsch schmerzte vom Sitzen auf der kalten Betonbank.
Er schaute nach links und nach rechts, bevor er die Straße überquerte und an dem Laden vorbeiging. Die Ketten an den Eingangstüren und Fenstern waren stark, aber John hatte nicht vor einzubrechen und etwas zu stehlen. Stattdessen ging er hinter das Gebäude zum Müllcontainer.
Die Überwachungskamera hinter dem Laden war auf die Hintertür gerichtet, der Müllcontainer wurde von ihr nicht erfasst. Er schob den Stahldeckel auf. Metallisches Kreischen zerriss die Nacht. Der Gestank, der aus dem Behälter drang, war übel, aber John hatte schon Schlimmeres gerochen. Er fing an, die kleinen schwarzen
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