Will Trent 01 - Verstummt
Avenue hinaufgingen. John sah jeden Tag unzählige Gelände- und Sportwagen auf dieser Straße entlangfahren. Da an einem Ende Buckhead und am anderen Ansley Park lag, gehörten die einzigen Schrottkarren, die John auf der Straße sah, den Dienstmädchen, Landschaftsgärtnern, Pooljungs und all den anderen glücklosen Gestalten, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, die Scheißjobs zu machen, die die Reichen nicht tun wollten.
»Blödes Arschloch«, murmelte die Nutte, während sie auf Grün warteten. Ihre dürren Finger gruben sich noch tiefer in sein Fleisch, als sie versuchte, auf ihren lächerlich hohen Absätzen das Gleichgewicht zu bewahren. »Wart mal 'nen Augenblick«, sagte sie und zog, sich weiter an ihm festhaltend, zuerst den einen, dann den anderen Schuh aus. »Scheißabsätze.«
»Ja«, sagte John, weil sie offensichtlich eine Antwort erwartete.
»Die Autos haben Rot«, stellte sie fest und zerrte ihn auf die Straße, als der Verkehr an der Ampel anhielt. »Mann, tun mir die Füße weh.« Sie schaute zu ihm auf, als sie die andere Straßenseite erreichten. »Hab 'nen lockeren Zahn, weißt du. Wo er mich getreten hat.«
»Oh«, sagte John und dachte, wenn sie glaubte, dass er das Geld hätte, sie zum Zahnarzt zu schicken, wäre sie entweder blöd oder verrückt. »Okay. Ja. Tut mir leid.«
»Nein, du blöder Wichser. Das soll heißen, ich kann's dir mit den Händen machen, aber du kannst ihn mir nicht in den Mund stecken.«
John fiel erst auf, dass er die Zähne zusammenbiss, als ihn der Unterkiefer schmerzte. »Nein«, erwiderte er. »Ist schon okay.«
»Hör mal.« Sie blieb stehen, ließ ihn los und fing sofort an zu schwanken wie ein Floß mitten in einem Sturm. »Du kannst jetzt zurück, Romeo. Den Rest des Wegs schaff ich auch allein.«
»Nein«, wiederholte er und fasste sie am Arm. Bei seinem Glück würde sie auf die Straße fallen, und der Bulle würde ihm eine Klage wegen fahrlässiger Tötung anhängen. »Gehen wir.«
»Upps«, sagte sie, als sie auf einem aufgeplatzten Stück Bürgersteig stolperte und ihre Knie einknickten.
»Langsam«, sagte er und spürte dabei, wie dünn sie war. Er glaubte schon fast zu fühlen, wie ihre Knochen sich in ihrem Fleisch bewegten.
Völlig unvermittelt erklärte sie: »Innen Arsch mach ich nicht.«
John wusste nicht, was schlimmer war: der Gedanke an ihren Mund oder der an ihr Arschloch. Bei einem schnellen Blick auf die wunden Stellen an ihren Armen und Beinen kam ihm das Sandwich vom Mittagessen beinah wieder hoch.
»Okay«, sagte er, weil er nicht wusste, warum sie so mitteilsam war, und sich wünschte, sie würde schweigen.
»Lässt mich so komisch scheißen«, fuhr sie fort und warf ihm einen schnellen Blick zu. »Ich dachte, ich sag's dir gleich, falls du so was in der Richtung vorhast.«
»Ich will nur, dass du sicher zurückkommst«, versicherte er ihr. »Mach dir wegen dem anderen keine Gedanken.«
»Nichts ist umsonst«, sagte sie und lachte auf. »Außer vielleicht diesmal. Natürlich die Begleitung - na, wenn du das als deine Bezahlung betrachtest, ist es auch nicht gerade umsonst.«
»Ich musste sowieso in die Richtung«, log er. »Ich wohne dort hinten.«
»Morningside?«, fragte sie und meinte eins der wohlhabenderen Viertel, die an die Cheshire Road grenzten.
»Ja«, sagte er, »zweistöckiges Haus mit Garage.« Sie stolperte wieder, und er bewahrte sie davor, aufs Gesicht zu fallen. »Komm weiter.«
»Musst ja nicht gleich grob werden.«
Er schaute auf seine Hand, die ihren Arm umklammert hielt. Sein Griff war so fest, dass sich, als er sie losließ, die Abdrücke seiner Finger rot auf ihrer Haut abzeichneten. »Das tut mir leid«, sagte er und meinte es wirklich so. O Gott, er dachte die ganze Zeit an Frauen und wusste nicht einmal, wie er sie halten sollte, ohne ihnen wehzutun. »Ich bringe dich einfach zurück, okay?«
»Schon fast da«, sagte sie und hielt dann gnädigerweise den Mund, während er sich darauf konzentrierte, sie über die holprige Stelle zu führen, wo das Pflaster des Bürgersteigs endete und in einen Kiesweg mündete.
John ließ sie vorausgehen, blieb zwei Schritte hinter ihr, falls sie seitwärts auf die Straße kippte. Erst jetzt begriff er die Ungeheuerlichkeit des eben Passierten. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Es gab keinen Grund, warum er sich in Ray-Rays Probleme einmischen sollte, und jetzt verlor er einen Tageslohn dafür, dass er diese Nutte zurück zu ihrem Standplatz
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