Will Trent 02 - Entsetzen
Es geht nur um Geld, Faith. Darum geht es letztendlich immer.« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Er unterrichtet an einer Highschool. Habt ihr das gewusst?«
»Die Anwälte rieten uns, nicht mit der Schule in Kontakt zu treten. Er könnte uns wegen Verleumdung verklagen.«
»Die Wahrheit zu sagen ist keine Verleumdung.«
»Das ist eine ziemlich hochmütige Haltung, wenn man fünfzigtausend Dollar in die Hand nehmen muss, um sich gegen einen Mistkerl zu verteidigen, den man nie persönlich kennengelernt hat.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Tut mir leid, Faith. Ich habe die Fotos gesehen und gedacht, sie haben dich geschickt, um mich dranzukriegen.«
»Das ist kein Kriminalfall.«
»Das weiß ich«, sagte er. »Ich bin nur so ...« Er schüttelte den Kopf und überließ es ihr, den Satz zu beenden. »Ich bin paranoid. Ich habe verdammt hart gearbeitet, um so weit zu kommen, wie ich jetzt bin, und ich will meinen Job und mein Haus nicht verlieren wegen eines Arschlochs, das seinen Schwanz nicht in der Hose behalten kann.« Er schüttelte noch einmal den Kopf. »Tut mir leid. Ich sollte nicht so reden. Ich hätte dich auch nicht packen sollen. Ich stehe unter einem enormen Stress, aber das ist keine Entschuldigung. Ich weiß das.«
»Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt? Wir haben fast die ganze Nacht über alles Mögliche geredet, nur darüber nicht.«
»Aus dem gleichen Grund, weshalb du nicht über deinen Fall reden wolltest. Es war schön, mit einem menschlichen Wesen einfach über normale Sachen zu reden. Ich wollte nur jemanden, der mich als Victor, den netten Kerl, sieht, nicht als Verwaltungsbeamten, der verklagt wird, weil es in seinem Verantwortungsbereich Übergriffe auf Studentinnen gab.«
Faith stemmte die Hände in die Taille, Frustration kochte in ihr hoch. Emma Campano war von einem Verrückten entführt worden. Wie viele Leute waren noch untätig geblieben, während das Mädchen brutal misshandelt und ihre Freunde ermordet wurden? »Du hast ja keine Ahnung, was du getan hast.« Er versuchte, etwas zu erwidern, doch sie schüttelte den Kopf. »Dieser Mann könnte mit meinem Fall zu tun haben, Victor. Er schlief mit dem Mädchen, das umkam. Sein Sperma wurde in ihrer Leiche gefunden.«
Er öffnete schockiert den Mund. »Was sagst du da?«
»Dass Evan Bernard in unserem Fall ein Verdächtiger ist.«
»Er hat dieses Mädchen entführt? Er hat die anderen getötet ...« Victor schien ehrlich entsetzt über diesen Gedanken.
Sie war so wütend, dass ihr die Tränen in die Augen traten. »Wir wissen es nicht, aber wenn du mir diese Informationen schon vor zwei Tagen gegeben hättest, dann hättest du vielleicht einem anderen Mädchen ersparen können ...«
Schritte hallten durch die Unterführung. Faith schirmte die Augen gegen das grelle Neonlicht ab und sah eine rundliche Gestalt auf sie zukommen. Als der Mann näher kam, sah sie, dass er Shorts, ein T-Shirt und einen Labormantel mit Ketchupflecken trug.
»Chuck«, sagte Victor mit etwas angespannter Stimme, weil er seine Fassung erst wiederfinden musste. Er streckte die Hand nach Faith aus, doch sie wich zurück. Dennoch schaffte er es, die beiden vorzustellen. »Das ist Faith Mitchell. Wir wollten eben zu Ihnen.«
Anstelle einer Begrüßung sagte Chuck: »Shockrete.«
Faith fragte: »Wie bitte?«
»Ihr graues Pulver ist Shockrete. Das ist ein hochverdichteter Beton, der mit Titanfasern verstärkt ist.«
»Wofür wird es benutzt?«
»Zur Sicherung von Mauern, Weinkellern, Skateboard-Bahnen, Schwimmbecken.« Er schaute sich um. »Tunnels.«
»Wie der hier?«
»Das Baby hier ist alt«, sagte er und klopfte an die niedere Decke. »Außerdem habe ich Granit in der Mischung gefunden.«
»Wie der Stone Mountain?«, fragte sie und meinte damit einen Berg ein paar Meilen außerhalb der Stadt. »Dieser spezielle Granit ist bekannt für seine Ansammlungen von Turmalin, die in anderen Granitarten nicht vorkommen. Ich bin kein Spezialist für Eruptivgestein, aber ich würde sagen, das ist unser zuverlässiges, dreihundert Millionen Jahre altes Atlanta-Muttergestein.«
Sie versuchte, ihn zum Kernpunkt zurückzuführen. »Dann stammt es also aus einem Tunnel in der Stadt.«
»Ich würde sagen, von einer Baustelle.«
»Was für eine Art von Baustelle?«
»So ziemlich jede. Shockrete wird auf Wände und Decken gesprüht, um das Erdreich zurückzuhalten.«
»Wird es auch beim Kanalbau benutzt, um die
Weitere Kostenlose Bücher