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Will Trent 02 - Entsetzen

Will Trent 02 - Entsetzen

Titel: Will Trent 02 - Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Finger auf den farbigen Kreis drückte. Will hatte den Text nie angeschaut. Er hatte sich von den Farben leiten lassen.
    »Was war mit dem letzten Blatt?«, fragte sie. »Warren war ein funktionaler Analphabet. Aber eine gewisse Lesefähigkeit hatte er. Warum konnte er nicht erkennen, dass es nur ein Memo über Kleidervorschriften war?«
    Will starrte die gegenüberliegende Wand an. »Wenn man aufgeregt ist, ist es noch schwerer, die Wörter zu erkennen. Sie bewegen sich hin und her. Sie verschwimmen.«
    Faith war also doch nicht verrückt. Will hatte wirklich ein Leseproblem. Sie dachte daran, wie er sich immer die Taschen abklopfte und seine Brille suchte, wenn es etwas zu lesen gab. Auf Adam Humphreys Führerschein war ihm die ländliche Adresse nicht aufgefallen, und er hatte die Webseite auf Bernards Computer, die sich mit Lehrerpensionierung beschäftigte, nicht gelesen. Dennoch musste sie zugeben, wenn man Will mit Leo Donnelly oder jedem anderen Mann im Morddezernat verglich, war er der bessere Polizist.
    Sie fragte: »Welche anderen Tricks würde Warren sonst noch benutzt haben?«
    »Einen Digitalrekorder. Stimmerkennungs-Software. Rechtschreibprüfung.«
    Faith fragte sich, ob sie noch blinder hätte sein können. Sie war zwar Detective, und doch hatte sie die offensichtlichen Hinweise, die ihr direkt ins Auge sprangen, - einfach übersehen. »Ist das der Grund, warum Warren so auf die Farben fixiert war?«, fragte sie. »Hat er die verschiedenen Farben Ihrer Mappen gesehen und so herausgefunden, dass Sie ...«
    »Farben«, unterbrach Will sie. »Er sagte, die Farben.« Ein schiefes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Das hat Warren versucht, mir zu sagen.«
    »Was?«
    Er stand auf, und Aufregung verdrängte jetzt die Erschöpfung. »Wir müssen noch einmal in den Copyshop.«

    22

    W ill ging den Zellengang entlang und schaute nicht zu dem polizeilichen Absperrband vor der offenen Tür der Zelle, in der Warren Grier sich erhängt hatte. Er spürte, wie die kalten Blicke der Gefangenen ihm bis zum Ende des Gangs folgten. Die üblichen Gefängnisgeräusche waren zu hören: Männer, die Unsinn redeten, Männer, die weinten.
    Evan Bernard war in einer der größeren Arrestzellen. Männer, die junge Mädchen vergewaltigten, wurden von den anderen Gefangenen ins Visier genommen. Diejenigen, die mit sensationellen Fällen in Zusammenhang gebracht wurden, konnten sich von ihrem Leben so gut wie verabschieden. Die Transsexuellenzeile war für einen Mann wie Evan Bernard der einzig sichere Ort. Die Frauen wurden für gewöhnlich wegen minderschwerer Vergehen verhaftet: Mundraub, Landstreicherei. Die meisten von ihnen waren zu feminin für eine Arbeit am Bau und zu maskulin für Mädchentricks. Wie Evan Bernard wären sie in einer Zelle mit normalen Gefangenen in Stücke gerissen worden.
    Der Lehrer ließ die Hände durch das Gitter nach draußen hängen, seine Ellbogen lagen auf der Querstrebe. Die Zelle war groß, mindestens fünf Meter breit. Auf die ganze Fläche verteilt standen Stockbetten mit drei Ebenen. Als Will darauf zuging, sah er, dass die Frauen sich alle um eine Koje drängten, als könnten auch sie Evan Bernards Anblick nicht ertragen. Will hatte ein Laken unter dem Arm. Das Material war rauer Gefängnisstoff, gebleicht und gestärkt bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Als er es durch ein Gitterquadrat schob und an eine Längsstrebe lehnte, behielt es seine Form.
    Bernard schaute das Laken übertrieben lange an. »Der arme Junge. Die Mädchen hier sind völlig aus dem Häuschen.«
    Will blickte in die Zelle. Die Frauen sahen aus, als würden sie ihn am liebsten in der Luft zerreißen.
    Bernard sagte: »Ohne meinen Anwalt rede ich nicht mit Ihnen.«
    »Ich will gar nicht, dass Sie reden«, sagte Will. »Ich will, dass Sie zuhören.«
    Bernard zuckte die Achseln. »Habe ja sonst nichts, um mir die Zeit zu vertreiben.«
    »Wissen Sie, wie er es gemacht hat? Wie er sich selbst stranguliert hat?«
    »Ich habe angenommen, er wurde Opfer von Polizeibrutalität.«
    Will lächelte. »Wollen Sie es wissen oder nicht?« Bernard hob eine Augenbraue, als wollte er sagen: Reden Sie.
    Will nahm das Laken von der Querstange und faltete es auf. Er erklärte, während er damit hantierte. »Kann man sich kaum vorstellen, nicht? Ist irgendwie unwahrscheinlich, dass man sich selbst erdrosseln kann, indem man einfach nur auf dem Boden sitzt.« Er zog sich das Laken durch die Hand und wickelte es sich um den

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