Will Trent 02 - Entsetzen
es war, in der Hitze Atlantas eine vollständige Uniform zu tragen. Es war, als würde man sich in Honig wälzen und dann durch einen Brennofen laufen. Da dies eine Schulzone war, durfte nur derjenige eine Waffe tragen, der eine Polizeimarke vorweisen konnte. Trotz des Schlagstocks auf der einen Seite des Gürtels und der Dose Pfefferspray auf der anderen sah der Mann so harmlos aus wie ein Floh. Zum Glück fiel das nur einem Polizisten auf. Die privaten Wachleute waren hier, um Eltern und Kindern ein Gefühl der Sicherheit zu geben. In einer verrückten, verworrenen Welt, in der reiche, weiße Mädchen getötet oder entführt werden konnten, war diese Demonstration der Macht durchaus willkommen.
Und wenigstens gab dieser martialische Auftritt der Presse etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte. Auf der anderen Straßenseite entdeckte Faith drei Fotografen, die an ihren Objektiven herumschraubten und auf den Schnappschuss warteten. Irgendwann in der Nacht hatten die Medien den Namen der Schule in Erfahrung gebracht. Faith hoffte, die Privaten wären in der Lage, die Reporter mit Nachdruck daran zu erinnern, dass sich die Schule auf Privatgrund befand.
Faith drückte auf die Klingel neben der Tür und schaute zu der an die Wand geschraubten Kamera hoch. Die Gegensprechanlage sprang an, und eine irritiert klingende Frau sagte: »Ja?«
»Ich bin Faith Mitchell vom ...«
»Erste links, den Gang entlang.«
Der Öffner summte, und Faith drückte die Tür auf. Es gab ein umständliches Hin und Her, weil Will sich von ihr nicht die Tür offen halten lassen wollte. Schließlich ging Faith hinein. Sie standen am Anfang eines langen Gangs mit Abzweigungen links und rechts. Geschlossene Türen führten wahrscheinlich in Klassenzimmer. Sie schaute in die Höhe und zählte noch sechs weitere Sicherheitskameras. Die Schule achtete eindeutig auf Sicherheit, aber die Rektorin hatte Leo gestern gesagt, dass es hinter einem der Hauptgebäude eine Überwachungslücke gebe. Gestern Morgen hatten Kayla und Emma diese Lücke ausgenutzt. Allerdings zu ihrem eigenen Schaden.
Will räusperte sich und schaute sich nervös um. Abgesehen von der Tatsache, dass er im Hochsommer schon wieder einen dreiteiligen Anzug trug, zeigte er die besorgte Miene eines missratenen Schülers, der einen Besuch im Büro der Rektorin zu umgehen hofft.
Er fragte: »Welche Richtung hat sie gesagt?« Nicht nur, dass die Frau ihnen vor zwei Sekunden gesagt hatte, wohin sie gehen sollten, jetzt stand er auch noch neben einem großen Schild, das Besucher bat, den Gang entlang zum Empfangsbereich zu gehen.
Faith verschränkte die Arme. Für sie war das ein sehr lahmer Versuch Wills, ihr ein Gefühl der Nützlichkeit zu geben. »Schon gut«, sagte sie. »Sie sind ein guter Polizist, Will, aber Sie haben die sozialen Fähigkeiten eines wilden Affen.«
Bei dieser Beschreibung runzelte er die Stirn. »Na ja, ich schätze, das ist nur fair.«
Faith war eigentlich keine Frau, die die Augen verdrehte, aber jetzt spürte sie ein Ziehen im Sehnerv, das sie seit der Pubertät nicht mehr erlebt hatte. »Diese Richtung«, sagte sie und ging einen Seitengang entlang. Den Empfangsbereich fand sie hinter einigen aufgestapelten Pappkartons. Als Mutter erkannte sie die Schokoriegel sofort, die die Schulen jedes Jahr an hilflose Schüler und Eltern verhökerten. Auch wenn es eigentlich erzwungene Kinderarbeit war, schickten die Verwaltungen die Kinder los, um Süßigkeiten zu verkaufen, weil sie hofften, damit Geld für diverse Verbesserungen hereinzubekommen. Faith hatte in Jeremys Kindheit so viele von diesen Riegeln gegessen, dass ihr Magen schon rebellierte, wenn sie die Dinger nur sah.
Eine Reihe von Monitoren, die verschiedene Szenen aus der Schule zeigten, befand sich hinter der Frau am Empfangstresen, aber ihre Aufmerksamkeit war auf die Telefonanlage gerichtet, die unaufhörlich klingelte. Sie musterte Faith und Will mit geübtem Blick, während sie drei Anrufer bat, einen Augenblick zu warten, bevor sie sich schließlich an Faith wandte. »Mr. Bernard wird sich etwas verspäten, aber alle anderen sind bereits im Konferenzzimmer. Durch diese Tür links von Ihnen.«
Will öffnete die Tür, und Faith führte ihn den Gang entlang zu einer entsprechend gekennzeichneten Tür. Sie klopfte zweimal, und jemand rief: »Herein.«
Faith hatte schon an einigen Eltern-Lehrer-Besprechungen teilgenommen, und so hätte sie eigentlich nicht überrascht sein dürfen, als sie alle
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