Will Trent 02 - Entsetzen
macht«, zischte sie. »Du sagst doch immer, sie ist dein wunderschönes Mädchen. Glaubst du, du bist der einzige Mann, der so was denkt? Glaubst du, du bist der einzige Mann, der sich bei jungen Blonden nicht mehr unter Kontrolle hat?«
Paul schaute nervös zu Will hinüber und sagte: »Geht.«
»Tun Sie's nicht«, sagte Abigail zu Will. »Ich will, dass Sie das hören. Ich will, dass Sie wissen, dass mein hingebungsvoller, liebender Gatte jede Zwanzigjährige fickt, die ihm über den Weg läuft.« Sie deutete auf ihr Gesicht, ihren Körper. »Es ist der Autoverkäufer in ihm. Immer wenn ein neues Modell rauskommt, will er das für das alte eintauschen.«
»Abigail, das ist nicht die richtige Zeit dafür.«
»Wann ist denn die richtige Zeit?«, blaffte sie. »Wann ist die richtige Zeit, dass du endlich mal erwachsen wirst und zugibst, dass du Fehler gemacht hast?« Ihre Wut wurde mit jedem Wort stärker. »Ich habe dir vertraut. Ich habe weggeschaut, weil ich wusste, dass du letztendlich doch immer wieder zu mir zurückkommst.«
»Das habe ich getan. Und tue es immer noch.« Er versuchte, sie zu besänftigen, aber Will sah, dass es sie nur noch wütender machte. »Abby ...«
»Nimm meinen Namen nicht in den Mund«, schrie sie und reckte die Fäuste in die Luft. »Sprich nicht mit mir. Schau mich nicht an. Sag kein einziges Wort mehr, bis meine Tochter wieder zu Hause ist.«
Sie rannte zur Wohnungstür und knallte sie hinter sich zu. Will hörte ihre Schritte auf der Treppe. Durchs Fenster sah er, dass sie auf dem Gras kniete, sich vornüberbeugte und sich erbrach.
»Geht jetzt«, sagte Paul. Seine Brust bebte, als würde er keine Luft bekommen. »Bitte - nur für den Augenblick. Beide. Bitte geht einfach.«
9
F aith stand vor der Leichenhalle und drückte sich den Finger ins freie Ohr, um den Lärm auszublenden, während sie am Handy mit Ruth Donner sprach. Kayla Alexanders ehemalige Mitschülerin aufzuspüren war einfacher gewesen, als vor einer Gruppe verängstigter Teenager zu sprechen.
Rückblickend betrachtet hatte die Art, wie Olivia McFaden sie aus der Rednerposition erlöste, etwas von einer strengen Mutter-Tochter-Rolle gehabt.
Dennoch war es Faith gelungen, Olivia McFaden zu überreden, sie mit Ruth Donners Mutter in Kontakt zu bringen. Die Frau hatte Faith die Ohren über Kayla Alexander vollgejammert, und dann hatte sie ihr die Handynummer ihrer Tochter gegeben. Ruth war Studentin an der Colorado State. Sie studierte frühkindliche Erziehung und wollte Grundschullehrerin werden.
»Ich konnte gar nicht glauben, dass es Kayla war«, sagte Ruth. »Es war hier überall in den Nachrichten.«
»Alles, was Ihnen einfällt, würde uns weiterhelfen«, sagte Faith mit erhobener Stimme, um das Sirren einer Knochensäge zu übertönen. Sie ging die Treppe hoch zum nächsten Absatz, konnte aber den Motor immer noch hören. »Haben Sie sie gesehen, seit Sie die Schule verlassen haben?«
»Nein. Um ehrlich zu sein, seit meinem Abgang hatte ich mit kaum jemandem mehr Kontakt.«
Faith fragte: »Fällt Ihnen irgendjemand ein, der ihr etwas hätte antun wollen?«
»Na ja, ich meine ...« Sie brach ab. »Ich will ja nicht herzlos klingen, aber sehr beliebt war sie nicht.«
Faith verkniff sich ein »Im Ernst?«, was ihr auf der Zunge lag, und fragte stattdessen: »Kannten Sie ihre Freundin Emma?«
»Nicht wirklich. Ich habe sie zusammen mit Kayla gesehen, aber sie hat nie etwas zu mir gesagt.« Dann erinnerte sie sich: »Na ja, manchmal starrte sie mich an, aber Sie wissen ja, wie das ist. Wenn deine beste Freundin jemanden hasst, dann muss man denjenigen auch hassen.« Sie schien zu erkennen, wie kindisch das klang. »Gott, es war alles so grauenhaft, als ich noch mittendrin war, aber jetzt schaue ich zurück und frage mich, ob das alles wirklich so wichtig war, wissen Sie?«
»Ja«, antwortete Faith und spürte, dass dies eine Sackgasse war. Sie hatte die Passagierlisten aller Flüge von und nach Atlanta der letzten Woche kontrolliert. Ruth Donners Name tauchte auf keiner Fluggesellschaftsliste auf. »Sie haben meine Handynummer. Würden Sie mich bitte anrufen, wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt?«
»Natürlich«, versprach Ruth. »Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie sie gefunden haben?«
»Ja«, versprach Faith, obwohl das nicht sehr weit oben auf ihrer Prioritätenliste stand. »Vielen Dank.«
Faith schaltete das Handy ab und steckte es sich in die Hosentasche. Als sie die Treppe wieder
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