Will Trent 02 - Entsetzen
»Wie geht's Will?«
»Trent?«, fragte sie. »Wusste gar nicht, dass Sie ihn kennen.«
Er zog die Handschuhe aus und bedeutete Faith, ihm zu folgen. »Ausgezeichneter Detective. Muss schön sein, zur Abwechslung mit jemandem zu arbeiten, der, sagen wir mal, mehr Hirn hat als der Durchschnitt der Truppe.«
»Hm«, machte sie, weil sie nicht bereit war, Will ein Kompliment zu machen, auch wenn Pete recht hatte. Im Morddezernat des Atlanta Police Department gab es nur drei Frauen. Als Faith dort anfing, waren sie zu viert gewesen, aber Claire Dunkel, eine Veteranin mit dreißig Jahren Berufserfahrung, war bereits in Faiths erster Woche in der Abteilung in Rente gegangen. Der Rat, den sie Faith zum Abschied gegeben hatte, lautete: »Trag ab und zu mal einen Rock, sonst wachsen dir Hoden.«
Vielleicht war das der Grund, warum Faith mit Will Trent so schwer zurechtkam. Trotz all seiner Fehler schien er sie wirklich zu respektieren. Er hatte noch keinen einzigen blöden Witz über das Verhältnis ihrer Haarfarbe zu ihren intellektuellen Fähigkeiten gerissen, er hatte sich noch nie an pikanten Stellen gekratzt oder auf den Boden gespuckt - alles Dinge, die Leo Donnelly normalerweise vor seiner ersten Tasse Kaffee machte.
Pete knüpfte seinen Kittel auf und präsentierte ein Hemd der grellen hawaiianischen Art. Faith war froh, zu sehen, dass er Shorts trug. Der Anblick seiner haarlosen Beine, die unter dem Kittel bis auf seine schwarzen Kniestrümpfe nackt gewesen waren, hatte bei ihr gewisse Befürchtungen geweckt.
»Furchtbare Situation mit Ihrer Mutter«, sagte Pete. Faith sah zu, wie er auf den Seifenspender drückte und sich die Hände wusch. »Das ist einer dieser Fälle, bei denen der Satz >Ich tu ja nur meine Pflicht< wie eine fadenscheinige Ausrede klingt, nicht?«
»Ja«, pflichtete sie ihm bei.
»Obwohl ich schon viele Jahre in diesem Gebäude arbeite und viele Sachen gesehen habe, die nicht hätten passieren dürfen. Freiwillig würde bestimmt keiner Informationen preisgeben, aber falls mich jemand direkt fragen würde, dann würde ich mich verpflichtet fühlen, die Wahrheit zu sagen.« Er lächelte sie über die Schulter hinweg an. »Ich schätze, das macht mich zu einer >Petze<, wie ihr von der Truppe sagen würdet.«
Sie zuckte die Achseln.
»Will ist ein guter Mann, der eine schmutzige Arbeit tun musste. Ich kann ihn gut verstehen.« Er zog einige Papierhandtücher aus dem Spender und trocknete sich die Hände, während er zu seinem Büro ging.
»Setzen Sie sich«, sagte Pete und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
Faith setzte sich auf den Papierstapel auf dem Stuhl, weil sie wusste, dass Pete von ihr nicht erwartete, ihn freizuräumen. »Was haben Sie bis jetzt?«
»Ich fürchte, nichts von Bedeutung.« Aus dem kleinen Kühlschrank in der Ecke holte er eine Papiertüte. Faith konzentrierte sich darauf, in ihrem Notizbuch eine leere Seite zu finden, während er ein Sandwich aus der Tüte zog. »Auf das Mädchen wurde mindestens siebenundzwanzigmal eingestochen. Ausgehend von den Winkeln und den Stichkanälen würde ich annehmen, dass die Wunden von dem Küchenmesser stammen, das am Tatort gefunden wurde. Der Mörder kniete wahrscheinlich über ihr, als er sie angriff.«
Faith schrieb schnell, weil sie wusste, dass er ihr keine Pause gönnen würde.
»Sie hatte Quetschungen an den Oberschenkeln und einige Risse im Vaginalkanal. Ich fand Spuren von Maisstärke, was auf die Benutzung eines Kondoms hindeutet, aber aufgrund der Spermaspuren können wir davon ausgehen, dass das Kondom riss, wie es bei brutalem Sex oft passiert. Außerdem konnte ich einige schwache Bissspuren an den Brüsten feststellen. Ich würde sagen, das ist eher vereinbar mit einvernehmlichem Sex, obwohl das nur eine Spekulation meinerseits ist.«
Er wickelte sein Sandwich aus, biss ein Stück ab und kaute mit offenem Mund, während er fortfuhr: »Solche Spuren kann man bestimmt auch hinterlassen, wenn man eine Frau vergewaltigt, andererseits, wenn man ein bisschen übereifrig und die Frau willig ist, dann könnte man argumentieren, dass die Spuren nicht Folge einer Vergewaltigung sind, sondern eines besonders hitzigen Liebesspiels. Würde mich nicht überraschen, wenn die gegenwärtige Mrs. Hanson nach ein paar Flaschen Tequila und ein bisschen Tanzen dieselben Verletzungen aufweisen würde.«
Faith versuchte, sich nicht zu schütteln. »Auch die Bissspuren?«
Mit lautem Klicken biss Pete die Zähne
Weitere Kostenlose Bücher