Will Trent 02 - Entsetzen
selbst. Der Hauptraum der Wohnung war groß, mit einer voll ausgestatteten Küche an einem Ende und dem Wohnzimmer am anderen. Er nahm an, dass sich Schlaf- und Badezimmer hinter den geschlossenen Türen an der hinteren Seite des Raums befanden. Hamish Patels Laptop stand auf dem Küchentisch und wartete darauf, dass das Telefon klingelte. Zwei Kopfhörer waren in ein altmodisches Bandgerät gestöpselt, das die Größe eines Betonblocks hatte.
Paul saß auf der Couch, die Hand auf der TV-Fernbedienung. Der Fernseher war stumm gestellt, aber das Nachrichtenband lief am unteren Rand über den Bildschirm. Will erkannte das CNN-Logo. Die Reporterin stand vor einer Wetterkarte und bewegte die Arme über die Karte, während sie ein Sturmsystem beschrieb, das über den Mittleren Westen hinwegzog. Auf dem Couchtisch lagen Zeitungen verstreut - USA Today, das Atlanta Journal, Ausdrucke anderer Zeitungen, die Paul sich offensichtlich aus dem Internet beschafft hatte. Will konnte die Schlagzeilen nicht lesen, aber alle zeigten dieselben Schulfotos von Emma, Adam und Kayla. »Müll«, sagte Paul.
Will wusste nicht so recht, ob er ihn zurechtweisen sollte. Die Tochter des Mannes wurde vermisst. War das wirklich die Zeit, um alte Animositäten wieder auszugraben?
»Das sind alles verdammte Idioten«, sagte Paul und deutete mit der Fernbedienung auf den Fernseher. »Jetzt sind es schon zwei Tage, und sie sagen immer noch dasselbe, nur mit anderen Grafiken.«
»Du solltest dir das nicht anschauen«, entgegnete Will.
»Warum hast du uns nicht ins Fernsehen gebracht?«, fragte er. »Das machen sie bei diesen Polizeisendungen doch immer. Sie zeigen die Eltern, sodass die Entführer wissen, dass das Mädchen eine Familie hat.«
Will war mehr damit beschäftigt, Emma Campano zurückzuholen, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was Polizeisendungen als übliche Vorgehensweise betrachteten. Außerdem war die Presse hier, um die Campanos zu schlachten, nicht um ihnen zu helfen. Will hatte genug Stress mit den Medien, auch ohne die Campanos einer Hinrichtung vor laufenden Kameras auszusetzen. Als Will Abigail Campano zum letzten Mal gesehen hatte, war sie völlig sediert gewesen und hatte kaum den Mund aufmachen können, ohne zu schluchzen. Paul war eine tickende Zeitbombe, die nur auf die kleinste Provokation wartete, um zu explodieren. Beide ins Fernsehen zu bringen wäre eine Katastrophe und würde die Presse, da sie keine wirklichen Informationen hatte, unweigerlich dazu verleiten, mit dem Finger auf die Eltern zu zeigen.
Will sagte: »Im Augenblick sprechen wir nicht mit der Presse. Wenn du irgendeine Information willst, solltest du zu uns kommen.«
Paul schnaubte und warf die Fernbedienung auf den Couchtisch. »Ja, ja, ihr wart ja alle sehr mitteilsam.«
»Was glaubst du, hat man dir nicht gesagt?«
Paul lachte bellend. »Wo, zum Teufel, meine Tochter ist. Warum niemand bemerkt hat, dass es sich um die falsche Leiche handelt. Warum ihr eine ganze verdammte Stunde mit Nasebohren vertan habt, während meine Tochter irgendwo ...«Ihm ging die Puste aus, seine Augen füllten sich mit Tränen. Sein Unterkiefer verkrampfte sich, als er wieder den Fernseher anstarrte.
»Ich komme eben von Emmas Schule«, sagte Will und hätte jetzt gerne mehr Informationen gehabt. »Wir haben mit ihren Lehrern, ihren Freunden gesprochen. Gestern waren wir fast den ganzen Tag am Georgia Tech und haben uns über Adam Humphrey informiert.«
»Und was habt ihr herausgefunden? Rein gar nichts.«
»Ich weiß, dass du eigene Leute für diese Sache engagiert hast, Paul.«
»Das geht dich, verdammt noch mal, nichts an.«
»Doch, schon, weil sie mir in die Quere kommen könnten.«
»Dir in die Quere? Meinst du, das interessiert mich einen feuchten Dreck?« Er deutete auf die Zeitungen auf dem Couchtisch. »Weißt du, was die sagen? Natürlich weißt du nicht, was die sagen - oder?« Er stand auf. »Sie sagen, du bist inkompetent. Deine eigenen Leute sagen, dass du den Tatort versaut hast, dass Beweismittel verloren gingen, weil du nicht gewusst hast, was du tust.«
Will wusste nicht, wie er Paul den Unterschied zwischen dem Adanta Police Department und dem Georgia Bureau of Investigation erklären sollte, ohne wie ein herablassendes Arschloch zu Idingen. Schließlich sagte er nur: »Paul, ich leite jetzt diese Ermittlungen. Du solltest wissen ...«
»Was wissen?« In Sekunden stand Paul direkt vor Will. »Glaubst du, ich traue dir zu, dass du
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