Will & Will
augenblick in deiner hand explodiert. tiny: ich liebe meine entsicherte handgranate.
was für ein dialog – und ich frage mich, ob es zwischen uns anders gelaufen wäre, wenn wir das wirklich gesagt hätten. vielleicht hätte ich dann gewusst, dass er mich versteht, wenigstens ein bisschen versteht. aber ich vermute mal, dass er erst ein musical schreiben musste, um das so zu sehen. oder auszusprechen.
ich-auf-der-bühne: ich möchte aber nicht deine entsicherte handgranate sein. oder die von sonst irgendjemand.
seltsamerweise fühle ich mich aber in diesem augenblick das erste mal so, als sei ich nicht entsichert, sondern entschärft.
tiny schaut jetzt ins publikum. er kann nicht wissen, dass ich da bin. aber er scheint nach mir zu suchen.
tiny: ich will, dass du glücklich bist. egal ob mit mir oder mit einem anderen oder mit keinem. ich will, dass du glücklich bist. ich will, dass du mit dem leben einverstanden bist. mit
dem leben, so wie es ist. und das wünsche ich mir auch. es ist schwer zu akzeptieren, dass das leben ein auf und ab ist. auf und ab. auf und ab. ich gebe zu, dieses auf und ab ist nicht gerade der idealzustand. ich seh das ja auch so.
er spricht zu mir. und er spricht mit sich selbst. vielleicht ist da gar kein so großer unterschied.
und ich begreife. ich verstehe.
aber als er dann weiterredet, kann ich ihm nicht mehr zustimmen.
tiny: da gibt es ein wort, das ich von phil wrayson habe. er hat es mir mal beigebracht, es lautet: weltschmerz . es meint die traurigkeit, die man empfindet, wenn die welt nicht so ist, wie man glaubt, dass sie sein sollte. ich treibe in einem verdammt riesengroßen ozean aus weltschmerz. und du auch. und jeder von uns. weil jeder von uns im innersten glaubt, dass es vielleicht doch möglich ist, in der liebe immer höher zu schaukeln, höher, immer höher, auf und ab, aber höher, immer höher, das gesicht vom wind gestreichelt, dem himmel entgegen, und der wind zieht deinen mund zu einem breiten, strahlenden lächeln auseinander. so sollte es sein. man sollte für immer so schaukeln können, immer höher.
und ich denke: nein.
nein. und nochmals nein.
so ist es nicht.
denn ich habe mein ganzes leben auf so einer schaukel verbracht, aber nicht, wie tiny sich das vorstellt, höher und immer höher. sondern auf und ab, im brutalen wechsel. auf
und ab, nach unten, immer wieder nach unten, tiefer und tiefer und tiefer. bis man hart auf dem boden aufschlägt. und tot ist. oder sich wünscht, tot zu sein. es geht hier nicht um die liebe, es geht um das leben. und wenn es auf der schaukel nach unten geht, immer wieder nach unten, ist das das grässlichste gefühl auf der welt. weil man weiß, dass man dem völlig ausgeliefert ist, und weil man weiß, wie es endet. ich will nicht mehr auf dem weg nach unten sein. ich will festen boden unter den füßen haben.
und das seltsame ist, dass ich das gefühl habe, es ist endlich so. dass es anfängt, sich für mich so anzufühlen. denn ich versuche, etwas zu tun, das gut ist. genauso wie tiny versucht, etwas zu tun, das gut ist.
tiny: man ist immer eine granate, die jeden augenblick über der welt, die nicht vollkommen ist, explodieren kann.
nein, ich bin eine entsicherte granate über einer welt, die grausam ist. aber mit jedem mal, bei dem ich das gegenteil erfahre, rastet der sicherungsstift, der eine explosion verhindert, etwas tiefer ein.
tiny: und so fühle ich mich auch – jedes mal nämlich, wenn es mir so geht, jedes mal, wenn sich herausstellt, dass ich irgendwann nicht mehr höher schaukeln kann und wieder auf den boden der tatsachen zurückmuss, schmerzt es wie beim allerersten mal.
er schaukelt jetzt höher, schwingt seine beine mit aller kraft nach vorne. die schaukel ächzt und stöhnt. es sieht so aus,
als würde er gleich das ganze gestell zum einsturz bringen, aber er schaukelt und schaukelt weiter, schwingt die beine nach vorn, zieht mit den armen kräftig an den ketten des schaukelbretts und redet in einem fort.
tiny: wir können nämlich nicht aufhören, den weltschmerz zu fühlen. wir können nicht damit aufhören, uns die welt so vorzustellen, wie wir sie gerne hätten. was großartig ist! dafür bewundere ich uns menschen am meisten!
immer wenn er beim schaukeln den höchsten punkt erreicht, schwingt er aus dem lichtkegel der scheinwerfer hinaus. aus der dunkelheit schleudert er seine botschaft dem publikum entgegen. dann saust er
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