Will & Will
»Bücher und Filme für Erwachsene«, wie das Werbeschild an der Tür verkündet. Aber nichts in der Welt wird mich dazu bringen, den ganzen Abend bei Frank’s Franks rumzuhängen und meinen gefälschten Ausweis ungenutzt zu lassen. Nein. Ich werde in den Sexshop gehen. Tiny Cooper würde sich nie trauen, in einen solchen Laden zu gehen. Niemals. Ich male mir aus, wie ich es ihm und Jane erzähle, wenn sie aus dem Konzert kommen.
Ich lege fünf Dollar auf den Tisch – die Hälfte davon Trinkgeld – und marschiere die vier Blocks zurück. Als ich mich der Ladentür nähere, werde ich etwas nervös. Aber dann sage ich mir, dass sich in einer gottverlassenen eiskalten Winternacht in Downtown Chicago herumzutreiben viel gefährlicher ist, als irgend so einen Laden zu betreten.
Ich ziehe die Tür auf und stehe in einem grellweiß erleuchteten Raum. Auf der linken Seite befindet sich eine Theke und dahinter ein Typ mit mehr Piercings, als ein Nadelkissen verkraften kann, und starrt mich an.
»Willst du dich nur umschauen oder willst du, du weißt du
schon, lieber richtiges Spielzeug?«, fragt er mich. Mit Spielzeug in einem solchen Laden kenne ich mich nicht aus, deshalb sage ich: »Umschauen?«
»Okay, dann mal rein mit dir«, sagt er.
»Was?«
»Rein mit dir.«
»Wollen Sie gar keinen Ausweis sehen?«
Der Typ lacht. »Bist du erst sechzehn, oder was?«
Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen, aber ich sage: »Nein, ich bin zwanzig.«
»Na also. Hab ich mir doch gedacht. Dann mal weiter rein mit dir.«
Und ich denke, Verdammt, wie schwer ist es eigentlich, in dieser Stadt einen gefälschten Ausweis zu benutzen? Das darf doch nicht wahr sein! So lasse ich nicht mit mir umgehen. »Nein«, sage ich bestimmt. »Sie müssen sich meinen Ausweis ansehen.«
»In Ordnung, Mann. Wenn es das ist, was deine Rassel zum Rappeln bringt.« Und dann fragt er mich in überautoritärem Tonfall: »Kann ich bitte deinen Ausweis sehen?«
»Ja, gern«, antworte ich und reiche ihn ihm. Er wirft einen Blick darauf, gibt ihn zurück und sagt: »Danke, Ishmael.«
»Nichts für ungut«, antworte ich erleichtert. Und dann bin ich tatsächlich in einem Sexshop.
Was ich dort zu sehen bekomme, ist allerdings ziemlich langweilig. Eigentlich alles wie in einem ganz normalen Laden – Regale mit DVDs, alten VHS-Kassetten und Zeitschriften, dazu auch noch das grellweiße Licht der Neonröhren. Na schön, es gibt ein paar Unterschiede zu einer normalen Videothek, nämlich zum Beispiel, dass a) in einer normalen
Videothek eher wenige DVDs die Wörter geil oder Schlampe im Titel haben, während das hier bei praktisch allen der Fall zu sein scheint. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es b) in einer normalen Videothek keine Hilfsmittel zu kaufen gibt, um jemandem den Hintern zu versohlen, hier jedoch schon, und zwar in allen möglichen Varianten. Und c) sind in einer normalen Videothek nur sehr wenige Gegenstände zu finden, bei denen man denkt, Hoppla, ich weiß überhaupt nicht, was man damit anstellen soll und vor allem wo und wie man damit etwas anstellen soll .
Bis auf Señor Multipiercing ist der Laden leer, und ich will eigentlich nur noch so schnell wie möglich wieder raus, weil das hier bestimmt die unerfreulichste und unangenehmste Erfahrung an einem Tag ist, der schon genug unangenehme und unerfreuliche Erfahrungen zu bieten hatte. Aber die ganze Expedition wäre vollkommen wertlos, wenn ich nicht wenigstens ein Souvenir finde, um zu belegen, dass ich hier war. Ich muss ein Beweisstück finden, das der größte Witz aller Zeiten sein wird, wenn ich es Tiny und Jane zeige, ein Beweisstück, bei dem ihnen Hören und Sehen vergeht und bei dem sie glauben, dass ich einen derart sensationellen Abend verbracht habe, dass sie davon nur träumen können. Und so kommt es, dass ich schließlich bei einer Zeitschrift mit dem Titel Mano a Mano lande, bei der mir alles durch und durch Spanisch vorkommt.
sechs
am liebsten würde ich die zeit jetzt vordrehen. oder falls das nicht möglich ist, wäre ich auch mit einer zeitreise zurück in die vergangenheit einverstanden.
ich will die zeit vordrehen, weil ich mich in zwanzig stunden mit isaac in chicago treffe und auf alles dazwischen gern verzichte, nur um schneller bei ihm sein zu können. egal, ob ich in zehn stunden vielleicht in der lotterie gewinne oder ob ich in zwölf stunden gelegenheit habe, bereits meinen high-school-abschluss zu machen. egal, ob ich mir in vierzehn
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