Will & Will
werde nicht rumerzählen, was sie getan hat, oder ihr schließfach in die luft sprengen oder sie vor allen anderen anbrüllen. ich will nur, dass sie aus meinem leben verschwindet. das ist alles. ende.
kurz vor dem mittagessen passt mich dieser junge namens gideon an meinem schließfach ab. seit der siebten klasse, als wir in erdkunde nebeneinandersaßen, haben wir nicht mehr wirklich miteinander geredet. er ist danach ins begabtenprogramm aufgenommen worden. ich nicht. aber ich hab ihn immer gemocht, und wenn wir uns auf dem flur begegnet sind, haben wir immer hallo gesagt. er ist jetzt viel als dj unterwegs, auf partys, zu denen ich nicht gehe.
gideon: hallo, will.
ich: hallo.
ich hab nicht das gefühl, dass er gekommen ist, um mir eins
reinzuwürgen. sein lcd-sonundsystem-t-shirt verrät mir das irgendwie.
gideon: also, ähm, ja. ich hab gehört, dass du möglicherweise, du weißt schon …
ich: linkshänder? ein briefmarkensammler? homosexuell bin?
er lächelt.
gideon: ja. und, na ja, ich weiß, wie … jedenfalls als ich gemerkt habe, dass ich schwul bin, fand ich es wirklich ziemlich schwierig, dass niemand da war, der… na ja, mit dem ich das alles teilen konnte. deshalb hab ich mir gedacht, ich komm mal und sag dir …
ich: alles teilen?
er errötet.
gideon: na ja, ist vielleicht ein bisschen ungeschickt formuliert. aber es trifft trotzdem den kern. willkommen im club. es ist an dieser schule ein sehr kleiner club.
ich: hoffentlich sind damit keine verpflichtungen verbunden?
er starrt auf seine schuhe.
gideon: ähm, nein. es ist eigentlich auch gar kein club.
wenn tiny an unserer schule wäre, gäbe es einen club. und er wäre der präsident. glaub ich jedenfalls.
ich lächle. gideon schaut hoch und bemerkt es.
gideon: vielleicht, wenn du lust hast, ich weiß nicht, vielleicht könnten wir nach der schule einen kaffee trinken gehen oder so?
ich brauche eine sekunde.
ich: soll das ein date sein?
gideon: ähm, vielleicht?
mitten in der eingangshalle unserer schule, mit all den leuten um uns herum, bittet er mich um ein date. erstaunlich.
ich: ich muss dir was gestehen. ich würd gern mit dir kaffee trinken gehen. aber… ich hab einen freund.
diese worte kommen mir tatsächlich über die lippen. sehr erstaunlich.
gideon: oh.
ich zieh mein handy raus und zeige ihm meinen posteingang mit all den nachrichten von tiny.
ich: das hab ich nicht erfunden, um dich abzuwimmeln. er heißt tiny. er geht in evanston zur schule.
gideon: du glücklicher.
das wird mir nicht häufig gesagt.
ich: warum setzt du dich in der mittagspause nicht zu uns an den tisch, zu simon, derek und mir?
gideon: sind die auch schwul?
ich: nur wenn du ein warlock bist.
eine minute später schicke ich tiny eine sms.
HAB EINEN NEUEN SCHWULEN FREUND.
und er schreibt zurück
FORTSCHRITT!!!
dann
DU SOLLTEST EINE HUHA GRÜNDEN!
worauf ich antworte
EIN SCHRITT NACH DEM ANDEREN, GROSSER JUNGE
und er antwortet
GROSSER JUNGE – DAS LIIIEBE ICH!
das mit dem sms-schreiben geht den rest des tages und bis
zum abend weiter. ziemlich erstaunlich, wie oft man jemand schreiben kann, wenn man sich jedes mal kurz fasst. schon komisch, denn es fühlt sich fast so an, als würde tiny den tag mit mir teilen. er ist immer anwesend: wenn ich maura nicht beachte. wenn ich mit gideon rede. wenn ich feststelle, dass mich in sport trotzdem niemand mit einer axt erschlägt, obwohl ich auf einmal homosexuelle schwingungen aussende. doch das reicht mir noch nicht. weil es sich nämlich mit isaac manchmal so ähnlich angefühlt hat. und ich will nicht, dass sich diese beziehung wieder nur in meinem kopf abspielt.
deshalb rufe ich tiny einfach an und sage ihm, dass er mich besuchen kommen soll. und er macht keine ausflüchte. er sagt nicht, dass das leider unmöglich ist. stattdessen fragt er
tiny: wann?
zugegeben, auch wenn ich dauernd behaupte, dass mir alles scheißegal ist, ist mir doch nicht alles scheißegal. wenn man behauptet, dass es einen total kalt lässt, ob die welt auseinanderbricht, sagt man in gewisser weise auch, dass man sich wünscht, sie würde weiter als großes ganzes vorhanden sein.
als ich aufgelegt habe, kommt meine mutter ins zimmer.
mom: wie geht’s dir?
ich: gut.
was auch stimmt. ausnahmsweise.
Dreizehntes Kapitel
Ich wache auf,
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