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Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , David Levithan
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das ganze Schulgebäude hinter ihm verdeckend. Alle seine Nerven vibrieren und seine Augen sind unnatürlich weit aufgerissen.
    »Einfach weil ich es irgendjemand erzählen musste«, sagt er.
    Ich denke etwa eine Minute darüber nach, dann folge ich ihm in den Theatersaal. Die nächste Stunde schaue ich Tiny zu, wie er ständig vor sich hinmurmelnd kreuz und quer auf der Bühne herumrennt, eine randalierende, schlafwandelnde Rampensau. Er bückt sich immer wieder, um mit Kreppband
auf dem Boden die Positionen zu markieren. Er wirbelt über die Bretter, summt im Schnelldurchlauf die Lieder und ruft dazwischen aus: »Es geht nicht um Tiny! Es geht um die Liebe!«
    Allmählich trudeln die Leute ein, die in der ersten Stunde Theaterkurs haben, deshalb verziehen Tiny und ich uns in Mathe und Tiny vollführt dort mal wieder das Großer-Mannin-kleiner-Bank-Wunder und ich staune mal wieder darüber und der Unterricht ist wie immer langweilig und mittags sitzen wir zusammen mit Gary und Nick an einem Tisch und Tiny erzählt von seiner blitzartigen Erleuchtung, auf eine Art und Weise – nichts gegen Tiny –, die irgendwie die Vermutung nahelegt, dass er vielleicht doch noch nicht völlig begriffen hat, dass sich die Erde nicht um Tiny Cooper dreht, und irgendwann wende ich mich zu Gary und frage: »Hey, wo ist eigentlich Jane?«
    Und Gary sagt: »Heute krank.«
    Woraufhin Nick sagt: »Krank im Sinne von Ich-verbringeden-Tag-mit-meinem-Freund-im-Botanischen-Garten.«
    Gary wirft Nick einen tadelnden Blick zu, Tiny wechselt schnell das Thema, und ich versuche, den Rest des Mittagessens an allen erforderlichen Stellen zu lachen, aber ich höre nicht mehr richtig zu.
    Ich weiß im Prinzip, dass sie wieder mit Mister Warmduscher Wasserpolo zusammen ist, und ich weiß im Prinzip, dass man so idiotische Dinge macht wie in den Botanischen Garten gehen, wenn man verliebt ist, aber trotzdem schützt mich all dieses Wissen nicht, und ich fühle mich den Rest des Tages einfach nur beschissen. Irgendwann , sage ich mir, lernst du wirklich, das Maul zu halten und nichts an dich
ranzulassen . Und bis dahin … Tja, bis dahin hole ich weiter tief Luft, weil es sich so anfühlt, als hätte man mir die Seele aus dem Leib geprügelt. Ich fang nicht an zu heulen, aber ich fühle mich trotzdem viel erbärmlicher als am Ende von Charlie – Alle Hunde kommen in den Himmel .
     
    Nach der Schule versuche ich, Tiny anzurufen, aber ich erwische nur seine Mailbox, deshalb schreibe ich ihm eine SMS: »Der echte Will Grayson bittet um die Ehre eines Rückrufs, wann immer es dir genehm ist.«
    Als Tiny mich zurückruft, ist es halb zehn Uhr abends. Ich sitze mit meinen Eltern auf der Couch und gucke mir einen stumpfsinnigen Liebesfilm an. Auf dem Couchtisch vor uns stehen die Reste des Abendessens von unserem China-Restaurant-Lieferservice, das Mom immer auf Porzellantellern anrichtet, damit es wie selbst gekocht schmeckt. Dad macht ein Nickerchen, was er immer tut, wenn er nicht gerade arbeitet. Mom ist nah an mich rangerückt, näher als es eigentlich notwendig wäre.
    Während ich den Film gucke, muss ich ständig daran denken, wie gern ich mit Jane in den idiotischen Botanischen Garten gehen würde. Einfach nur mit ihr herumspazieren; sie in ihrem grünen Kapuzenpulli, ich mache ein paar Scherze über die lateinischen Pflanzennamen, sie sagt, dass Ficaria Verna ein guter Name für eine Nerdcore-Hip-Hop-Band wäre, die ihre Raps nur auf Lateinisch macht, und so geht es dann immer weiter. Ich hab das alles genau vor Augen und kann es mir so verdammt gut ausmalen, dass ich in meiner Verzweiflung schon fast Mom von meinem Liebeskummer vorjammere, aber das würde nur bedeuten, dass sie mir die
nächsten sieben bis zehn Jahre Fragen über Jane stellen würde. Meine Eltern erfahren so wenige Einzelheiten aus meinem Privatleben, dass sie sich für ewige Zeiten an jedem der Krümel festklammern, über die sie manchmal stolpern. Mir wäre lieber, sie könnten vor mir besser verheimlichen, dass sie sich eigentlich wünschen, ich hätte tonnenweise Freundinnen und Freunde.
    Schließlichalsodann ruft Tiny an und ich sage: »Hi«, und stehe auf und gehe in mein Zimmer und mache die Tür hinter mir zu, und in all der Zeit sagt Tiny kein einziges Wort, deshalb sage ich: »Hallo?«
    Und er sagt zerstreut: »Ja, hallo.« Ich höre ihn tippen.
    »Tiny, tippst du grade?«
    Nach einer kleinen Pause sagt er: »Bleib dran. Lass mich nur noch den Satz fertig

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