Wille zur Macht
einem hellbraunen Anzug auf ihn zu und sprach ihn in perfektem Deutsch an. Nach kurzem Vorgeplänkel über seine Vorliebe für deutsche Literatur, kam der Mann zur Sache. Er bot Dunker an, zu einem unglaublich günstigen Kurs Dollars in heimische Währung umzutauschen. Damit hätte er die Möglichkeit, in kubanischen Läden einzukaufen und wäre nicht auf das eigens für Ausländer hergestellte Touristengeld angewiesen. Dunkers revolutionäres Misstrauen erwachte sofort. Er wusste zum einen, dass der Schwarztausch streng verboten war, zum anderen wollte er mit seiner Einstellung ganz bestimmt nicht dazu beitragen, den Dollarschwarzmarkt auf Kuba zu unterstützen, und schon gar nicht den Kubanern in ihren Geschäften die wenigen Waren wegkaufen, die für sie lebensnotwendig waren. Für ihn war dieses Angebot fast ein imperialistischer Angriff auf die sozialistische Wirtschaft Kubas. Mit barschen Worten wies er das Ansinnen des Schwarzen zurück, ließ ihn stehen, durchschritt eilig die Flughafenhalle und bestieg ein davor wartendes Taxi. Er nannte dem Fahrer die Adresse seines Hotels, drehte sich im Losfahren noch einmal nach dem Mann um, erblickte ihn aber nicht mehr.
Das Hotel war ein kleiner Betonklotz in der Innenstadt von Havanna, nahe dem Malecón. Die Nacht war hereingebrochen, und die vielen erleuchteten Fenster wiesen darauf hin, dass das Haus gut besucht war. Der Taxifahrer wollte sich nicht in Dollars bezahlen lassen, und Dunker bat den Portier, den Fahrer zu bezahlen und den Betrag dann auf seine Hotelrechnung zu setzen.
Sein Zimmer lag im sechsten Stock, und er hatte von hier aus einen guten Überblick über die hell erleuchtete Stadt. Zwischen moderne Hochhäuser drückten sich alte, klassizistische Bauten. Verloren zwischen den Riesen, versuchte ihr matter Sandstein mit den spiegelnden Flächen der Hochhäuser zu konkurrieren. Am Horizont war das Meer zu sehen. Dunker kam sich vor wie im Urlaub. Er rasierte und duschte sich und zog sich um. In einer Plastiktüte hatte er extra für die Rückreise ein frisches Hemd aufbewahrt. Leider muffte es jetzt etwas schimmelig, und er tropfte sich Rasierwasser in die Hände, um es damit einzureiben. So ging es. Jetzt wollte er nur noch etwas Gutes essen, ein kühles Bier trinken und sich dann von dieser schönen Stadt in ihren Bann ziehen lassen.
Eine Stunde später stand er auf dem Malecón, Havannas Prachtstraße am Meer. An den auf der Promenade flanierenden Pärchen rauschten amerikanische Straßenkreuzer der vierziger und fünfziger Jahre vorbei. Chrom blitzte im gelben Licht der Straßenlaternen. Auch er schlenderte die Promenade entlang, den warmen Wind auf der Haut. Er suchte nach einem geeigneten Zugang in die Altstadt Havannas. In freudiger Erwartung überquerte er den Malecón und trat in eine kleine Gasse. Nur wenige Straßen weiter sah es so aus, als wenn die Zeit stehengeblieben wäre. Ehemals prachtvolle Bauten mit bunt verglasten Türen und Fenstern, einmal reich verzierten, aber jetzt abblätternden Fassaden und rostigen, gebogenen Balkongittern ließen die einst vorhandene Pracht dieser Stadt erahnen. Viele der alten Bauten sahen wirklich sehr heruntergekommen aus, aber an einigen entdeckte er, dass Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Gange waren. Aus offenen Fenstern drang Musik auf die Straße, Salsa, und hübsche, kleine Kinder spielten auf Gehsteigen aus glänzenden, gebrannten Fliesen. Zwei alte Frauen unterhielten sich von Balkon zu Balkon, dabei dicke Zigarren rauchend. Hier herrschte trotz aller Probleme die Lust am Leben. Managua wirkte gegenüber Havanna eher depressiv. Das karibische Lebensgefühl war sicher einer der Trümpfe des kubanischen Sozialismus. Es machte vieles scheinbar einfacher. In einer kleinen cantina aß er zu Abend und machte sich dann auf den Weg zurück zum Hotel. Er spürte Müdigkeit und Erschöpfung in sich aufsteigen, aber als er vom Dach laute Musik hörte, entschied er sich, doch noch nicht ins Bett zu gehen, sondern noch etwas an der Bar zu trinken. Mit dem Fahrstuhl fuhr er nach oben zur Dachterrasse. Viele Gäste hatten sich hier eingefunden und saßen an kleinen, runden Tischen. Meistens hatten sie aufwendig mit Früchten und Lametta verzierte Cocktails vor sich stehen, die im schwachen Licht der auf den Tischen stehenden Kerzen bunt leuchteten.
An einer Seite war die Terrasse überdacht. Hier befand sich eine große Bar mit einem massiven, dunklen Tresen. Ein Kellner mit weißem Hemd und
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