Wille zur Macht
schwarze Rauchwolke stieg hinter ihnen auf, und dann ging es weiter. Nach einiger Fahrt erkannte Dunker die Gegend wieder. Es war dieselbe Strecke wie auf der Hinfahrt. Vorbei am großen See ging es jetzt stetig wieder bergab in die Ebene vor Managua. Es war schwarze Nacht, als sie am hell erleuchteten Vorfeld des Flughafens von Managua vorbeifuhren und die ärmlichen Hütten der Vorstadt passierten. Hier war es deutlich wärmer als in den Bergen von San Martin. Die Menschen saßen vor ihren Hütten, grillten Fleisch über halbierten Blechtonnen und tranken Bier. Oh ja, Bier! dachte Dunker. Ein schönes, kühles Bier. Das hatte er lange entbehren müssen.
Der Lkw fuhr an die rechte Straßenseite, lange bevor die Innenstadt Managuas erreicht worden war. An der Rückseite der Fahrerkabine wurde ein kleines Fenster aufgeschoben, und der Fahrer fragte nach hinten, wohin Dunker wollte. Er antwortete ihm, dass er ihn zu einer hospedaje im Zentrum bringen sollte. „Bueno!“ sagte der Fahrer, und damit hatten die beiden zum ersten Mal auf dieser Fahrt miteinander gesprochen. Und auch zum letzten Mal.
In der Nähe der Plaza España stieg Dunker mit seinen Sachen von der Ladefläche. Der Mann in der Fahrerkabine zeigte ihm wortlos mit der Hand die Richtung, die er einschlagen sollte, legte krachend den Gang ein und machte sich davon. Er hängte sich seinen Rucksack um und wanderte die Straße entlang. Er erkannte die Umgebung von den Feierlichkeiten zum Tag der Revolution wieder und glaubte, einigermaßen orientiert zu sein. Schon bald stand er vor einem eingeschossigen Bau mit Atrium, über dessen Eingang eine Bierreklame hing. Die Tür stand offen, und er ging in den hell erleuchteten Innenhof. Weiße Bettwäsche hing an mehreren Leinen, und an einer Seite des Hofes befand sich offensichtlich ein Waschraum mit zwei Eingängen ohne Türen; einem für Männer, der andere für Frauen.
Christian Dunker wurde von hinten mit einem schwer verständlichen Spanisch angesprochen und drehte sich um. Eine alte Frau fragte ihn gastfreundlich, ob er ein Zimmer suche. Er nickte und sagte ihr, dass er aber nur mit US-Dollar bezahlen könne, da er noch kein Geld umgetauscht hatte. Ihr Lächeln wurde noch breiter. Eigentlich war es jetzt auch egal, dachte er. Obwohl er den Schwarzmarkt in Managua nicht mit seinen Dollars fördern wollte, blieb ihm diesmal nichts anderes übrig. Vor dem kommenden Morgen konnte er kein Geld tauschen. Und wenn sich herausstellen sollte, dass seine Abreise schon am nächsten Abend bevorstand, machte es auch kaum noch Sinn. Sollte sich die Alte halt über ein paar Devisen für den Schwarzmarkt freuen. Er war froh, dass er jetzt nach der anstrengenden Fahrt eine Bleibe hatte.
Zwei Dollar kostete die Übernachtung. Dafür erhielt Dunker ein kleines Zimmer in dem Atriumbau. Vom Innenhof gingen eine ganze Reihe weiterer Türen ab. Alle in kleine, fensterlose Räume, in denen ein Doppelbett stand, ein Beistelltisch und ein Stuhl. An einer Wand war jeweils ein Waschbecken angebracht. Die Wände waren unverputzt und bräunlich. An der Außenwand fehlten knapp unter der Decke ein paar Ziegelsteine, so dass frische Luft in den Raum kam. Moskitonetze gab es keine. Alles war sehr einfach, aber sauber. Einige der anderen Zimmerchen waren belegt. Freundlich erklärte die Alte, dass viele Pärchen hierher kommen würden, da sie woanders nicht ungestört sein konnten. Wenn er es wünschte, könnte sie dafür sorgen, dass auch er nicht alleine in seinem Bett liegen müsste. Es war also ein Nest für Liebespaare und gleichermaßen ein Bordell, in dem Dunker gelandet war. Aber was machte das schon. Er lehnte das Angebot der Alten dankend ab, was für sie kein Grund war, ihm das Zimmer gleich wieder zu kündigen. Glücklicherweise, denn er war sehr erschöpft und wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich schlafen zu gehen.
Als er am nächsten Morgen erwachte, stellte er mit Genugtuung fest, dass er gut geschlafen hatte. Keine Unterbrechungen durch Wachdienste, keine Störungen der Nachtruhe durch Gefechtslärm. Keine psychische Anspannung wie an der Grenze in den Bergen. Die wenigen lustbedingten Geräusche, die in dieser Nacht aus anderen Zimmern in seines drangen, hatten ihm nicht seinen Schlaf rauben können. Als er sein Zimmer verließ, hatte ihn die Alte schon bemerkt und wies ihm einen Platz im Freien an einem Tisch im Hof zu. Kurze Zeit später stand eine dampfende schwarze Brühe in einer ehemaligen
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