Willenlos
ganzen Tag über befürchtet.«
Bornmeier lief sehr schnell, mit flüchtigem Gruß passierte er die Pforte.
»Der Fall weist eine frappierende Ähnlichkeit auf.«
»Sie sprechen die Schnittwunde und die Fußabdrücke an?«
»Die Tatwaffe wurde ebenfalls in der Nähe des Tatortes gefunden, der Angriff erfolgte ebenso von hinten, vermutlich aus einem Gebüsch, ähnlich wie beim Mord an Klaus Dahlmann.«
»Ist das alles? Das kommt mir bekannt vor. Trempe, ich pflichte Ihnen bei, dass es gewisse Ähnlichkeiten gibt, aber das reicht nicht.«
»Ich habe noch einmal mit Thalbach gesprochen. Er gibt an, zur Tatzeit eine unerklärliche Amnesie gehabt zu haben. Diese Aussage deckt sich mit der von Udo Hornbach.«
Joshua vernahm das Geräusch sich entriegelnder Türschlösser. Kurz darauf standen sie vor Bornmeiers Mercedes.
»Trempe«, in den Augen Bornmeiers glaubte Joshua Mitleid zu erkennen, »soll ich eine Mordermittlung aufgrund angeblicher Gedächtnislücken mutmaßlicher Mörder einleiten? Das wäre wohl die mit Abstand fadenscheinigste Begründung. Sie haben ermittelt, ohne Erfolg. Die Beweislast ist eindeutig, belassen wir es dabei. Schönen Feierabend.«
Bornmeier schloss die Fahrertür und fuhr los. Joshua schaute ihm hinterher. Er suchte nach einer Erklärung. Wieso konnte Bornmeier nicht das sehen, was er sah? Warum war der Staatsanwalt so pragmatisch, stützte sich auf viel zu eindeutige Indizien, ohne die Situation zu hinterfragen? Niemand löscht ein Menschenleben grundlos aus, es musste ein Motiv geben. Wie ein ausgehungerter Nager biss sich der Zweifel fest.
Ungewohnte Stille empfing ihn. Joshua betrat verwundert die Küche. Auf dem Tisch an eine Blumenvase gelehnt fand er eine Nachricht.
›Ich bin mit den Kindern und Jagger bei deinen Eltern, deine Mutter hat mich gebeten, ihr beim Schmücken der Scheune behilflich zu sein. Essen steht in der Mikro – Kuss Janine.‹
Nach dem Essen setzte Joshua sich mit einem Espresso ins Wohnzimmer und zappte lustlos durch die Programme. Nach fünf Minuten stellte er den Fernseher ab, ihm fehlte die Konzentration. Er hatte das Gefühl, alles würde an ihm vorbeilaufen. Gegen seinen Willen tauchte Zimmer in das Bewusstsein. Sofort kam die Wut wieder hoch. Wenn die Fälle zusammenhingen, würde er diesen Mord problemlos aufklären. Wird wieder ein Mensch schuldlos verurteilt? Sind Thalbach und Hornbach überhaupt unschuldig? Sein Verstand kam ihm vor wie ein langer Hotelflur. In jedem Zimmer lag ein anderer Gedanke, laufend ging irgendwo eine Tür auf und woanders schloss sich eine, ohne dass er die Möglichkeit besaß, in die Zimmer hineinzusehen. Mitten in dem Wirrwarr meldete sich zu allem Überfluss das schlechte Gewissen. Karin hatte heute keine drei Sätze gesprochen, sie war völlig neben der Spur. Joshua verteufelte den unbändigen Ehrgeiz, der ihn trieb. Warum nur hatte er Gerster nicht am nächsten Tag aufsuchen können? Warum hatte Karin nicht mit ihm gesprochen? Die Frage schwebte einige Zeit durch seinen Verstand, bis er begriff. Sie kannte ihn, er hätte nicht gewartet, schlimmer noch, er hätte umgekehrt genauso reagiert. Sie waren beide zu sehr Polizist, um einander bedingungslos zu vertrauen. Er fühlte die Unruhe, die Nervosität, die jeden Nerv berührte. Joshua konnte nicht länger tatenlos hier sitzen, musste die Scherben zusammenkehren.
›Muss Karin helfen, bis später – Kuss Joshua‹
,
schrieb er unter den Zettel, bevor er die Lederjacke vom Haken nahm.
Die Dämmerung hatte eingesetzt, sein Dreitagebart spiegelte sich im dunklen Küchenfenster. Dreimal hatte er bereits geklingelt, Joshua trat näher an die Haustür, hoffte auf ein Geräusch. Am Auto drehte er sich noch einmal herum, bemerkte das halb geöffnete Garagentor. Vorsichtig drückte er es hoch und ging zum Garten durch.
Auf einem der gepolsterten Terrassenstühle saß Ulf Gerster. Er schwang einen Kelch Rotwein im Licht der Abendsonne und betrachtete sinnentleert die Farbspiele. Neben ihm auf dem Boden lag eine leere Flasche Wein. Gerster wollte den Kelch ansetzen, da bemerkte er Joshua. Ein Zucken durchlief den sportlichen Körper des Lehrers. Der Schrecken überdauerte kaum einen Wimpernschlag. Gersters Augen verdunkelten sich.
»Was machen Sie denn hier? Dürfen Sie überhaupt ungefragt mein Grundstück betreten?«
Der Satz hallte über die Nachbargärten. Eine Frau in grünem Kittel im Garten nebenan senkte die Gießkanne.
»Ich habe mehrfach
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