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Willenlos

Willenlos

Titel: Willenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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seiner alternden Geschlechtsgenossen beim Anblick ihres Dekolletés. Noch mehr als seine Position, die es ihm erlaubte, sich guten Gewissens aus den Ränkespielchen und Mauscheleien der Oberschicht mit Verweis auf sein Amt herauszuhalten. Annabelle half ihm, die düsteren Gedanken und unangenehmen Fragen zu verdrängen. Vermutlich hatte er sich in der letzten Zeit einfach nur zu viel zugemutet, dachte der Richter. Mit 58 Jahren darf der Körper schon mal rebellieren. Auf einmal durchfuhr ihn ein Schrecken. Der Herzinfarkt vor acht Jahren fiel ihm ein. Es war knapp damals. Er hatte ihn nicht wahrgenommen, war erst am Tag darauf in die Klinik gefahren, als die Schmerzen in Brust und Oberarm kaum noch auszuhalten waren. Florenz List wischte sich mit dem Handrücken kleine Schweißtropfen von der Stirn. Er füllte das Glas erneut, als er den hellen Schlag der Türglocke vernahm. Wenige Sekunden, nachdem der Hall erneut ertönte, bahnte sich die aufgeregte Stimme Annabelles den Weg an seine Ohren. Florenz List stellte das Glas ab und machte sich auf den Weg zur Haustür. Im Flur sah er den übergewichtigen Mann mit dem unmodernen Kurzhaarschnitt. Lists Blick streifte Annabelle, warum hatte sie den Besucher nicht abgewimmelt? Auf ihren Augen lag ein zorniger Schatten. Der Dicke räusperte sich. Hinter ihm trat ein kleinwüchsiger Mann hervor, List schätzte sein Alter auf höchstens 30 Jahre. Vor dem Anwesen des Richters fuhr ein weiterer PKW vor. Ein älterer Herr mit Hornbrille kam auf sie zu.
    »Oskar Zimmer, Kriminalhauptkommissar, KK 11 Duisburg, dies ist mein Kollege Bon … Wachmann.«
    Zimmer korrigierte sich rechtzeitig und zeigte List den Dienstausweis. List stellte sich vor, kniff dabei die Augenbrauen.
    »Herr List, sind Sie Halter eines dunkelroten Maserati mit dem amtlichen Kennzeichen D-FL 198?«
    »Ja … ich verstehe nicht … Warum fragen Sie?«
    »Dürfen wir das Fahrzeug sehen?«, fiel Zimmer ihm ins Wort. Florenz List nahm einen Schlüsselbund von der Wand und führte die Beamten in die Garage. Geräuschlos öffneten sich zwei große Holztüren und gaben den Blick in eine mit dunkelroten Fliesen ausgelegte Doppelgarage frei. Neben dem Maserati befand sich ein Cabriolet der Mittelklasse. Der Grauhaarige rückte die Hornbrille zurecht und bückte sich vor den rechten Kotflügel des Maserati.
    »Würden Sie bitte so freundlich sein, mir zu erklären, was das soll, Herr Zimmer?«
    »Später.«
    Zimmer sah dem älteren Kollegen gespannt über die Schulter, während dieser den Reifen inspizierte. Florenz List sah auf Wachmann, der hilflos wirkte.
    »Eindeutig«, murmelte der Grauhaarige. Zimmer wandte sich zufrieden an List.
    »Herr List, wo waren Sie vergangenen Dienstag zwischen 18 und 19 Uhr?«
    »In einem Restaurant hier in Kaiserswerth«, antwortete List hastig. Sofort spürte der Richter eine innere Anspannung. Dieses Alibi würde keiner Überprüfung standhalten. Noch immer quälte ihn die Frage nach dem Grund.
    »Mit diesem Fahrzeug?«
    Zimmer deutete auf die italienische Nobelkarosse.
    »Ja – ich verstehe immer noch nicht …«
    »Ganz einfach, Herr List«, fuhr Zimmer ihm abermals ins Wort, »während Sie in dem Restaurant in Kaiserswerth gewesen sein wollen, ist mit Ihrem Fahrzeug ein Unfall verursacht worden, und zwar in Duisburg-Baerl. Der Wagen wird gleich zur Kriminaltechnik gebracht.«
    Zimmer warf Wachmann einen scharfen Blick herüber, der dafür sorgte, dass dieser sofort das Handy aus der Tasche zog.
    Zum Beweis deutete Zimmer mit dem ausgestreckten Arm auf eine kleine Beule und blaue Lackspuren am oberen Radlauf.
    »Ihr Unfallgegner konnte sich das Kennzeichen merken.«
    Florenz List wurde unsicher. Sein Kreislauf machte sich negativ bemerkbar, er stützte eine Hand aufs Autodach. Die Aussage des Kellners zog wie eine dunkle Wolke in sein Bewusstsein. Die merkwürdige Gedächtnislücke. Im Augenblick war nur eines sicher.
    »Ich war vorgestern garantiert nicht in Duisburg, alles andere ist mir schleierhaft.«
    Der Grauhaarige verabschiedete sich. Zimmer und Wachmann begleiteten den Richter zum Haus.
    »Herr List, besitzen Sie Mokassins der Firma Prada?«
    »Modell Business«, fügte Wachmann hinzu und erntete sofort einen strafenden Blick. Florenz List drehte sich herum, statt einer Antwort brachte er nur einen staunenden Gesichtsausdruck zustande. Angestrengt bemühte sich der Richter, den Sinn der Handlung zu begreifen. Selbstsicherheit, die durch das überfallartige Vorgehen

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