Willenlos
nehmen. Fieberhaft dachte er nach.
»Sie machen es sich sehr einfach, Herr Bartram«, sprang Karin ein, »Sie haben ein Motiv, haben mehrfach, zuletzt während Ihrer Inhaftierung, gedroht, sich zu rächen und verfügen nach eigenen Angaben über keine Alibis für mindestens zwei Tatzeitpunkte.«
»Ist das alles?«
»Wir werden noch mehr finden, darauf können Sie sich verlassen«, fuhr Joshua dazwischen. »Es gibt Zeugen, wir werden sie Ihnen gegenüberstellen.«
Leon Bartram sah auffällig auf seine Armbanduhr.
»Für diesen Fall würde ich mich an Ihrer Stelle beeilen. Ihnen verbleiben noch genau 23 Stunden und 20 Minuten. Es sei denn, Sie möchten mich tatsächlich mit diesen mickrigen Argumenten dem Haftrichter vorführen. Ich denke aber, das sollte für meinen Anwalt kein größeres Problem darstellen.«
Kurze Stille erfüllte den Raum. Es schien Karin, als würde Bartram jede Sekunde dieser Stille als Triumph verbuchen. Joshua wollte mehr über die Hintergründe erfahren.
»Herr Bartram, Sie haben stets behauptet, unschuldig verurteilt worden zu sein. Ihre Frau wurde im Badezimmer Ihres Hauses ermordet. Die Polizei konnte keinerlei Einbruchspuren feststellen. Im Badezimmer wurden ausschließlich Ihre Fingerabdrücke und die Ihrer Frau als relevant aufgenommen.«
»Mir ist die oberflächliche Vorgehensweise Ihrer Kollegen durchaus bekannt, Herr Trempe.«
Erstmalig zeigte er Gefühlsregungen. Sein Blick verdunkelte sich, leichte Röte zog über sein Antlitz. Joshua spürte die Chance, ihn aus der Reserve zu locken, die Dominanz zu durchbrechen. Karin kam ihm zuvor.
»Sie haben viel Zeit gehabt nachzudenken. Wer ist Ihrer Meinung nach der Mörder?«
Bartram drehte den Kopf zur Seite, seine Augen funkelten Karin schelmisch an. Für einige Sekunden genoss er die Anspannung der Polizistin.
»Ich bin sicher, dass finden Sie heraus, Frau Seitz. Auch wenn es Ihren Glauben erschüttern wird.«
Karin und Joshua tauschten erneut einen Blick. Es war derselbe Gedanke, der wie eine unausgesprochene Aussage zwischen ihnen stand. Bartram kannte den wahren Mörder. Ein Umstand, der die feinen Härchen auf Karins Handrücken emporstehen ließ.
»Herr Bartram, Sie sind ein freier Mann. Eine Tatsache, die sich durchaus ändern könnte, falls Sie einen Mörder schützen. Ich glaube, Sie verschweigen uns etwas.«
Bartram beugte sich erneut vor, der stählerne Ausdruck seiner Augen machte Karin nervös.
»Sehr geehrte Frau Seitz, der Mörder wird bereits seit über 15 Jahren geschützt. Und zwar vom Staat, der oberflächlich und leichtfertig agiert hatte, ohne den Fall jemals wirklich gründlich hinterfragt zu haben.«
Bartram erinnerte die Polizistin auf fatale Weise an Thalbach, Hornbach und List. Alle drei wurden unvermittelt aus ihrem spiegelglatt verlaufenden Leben gerissen. Sie alle waren von ihrer Unschuld überzeugt. Dennoch drohte ihnen ohne jegliches Motiv, geschweige denn einem Geständnis, lebenslange Haft. Es wirkte wie ein perfekt ausgeklügelter Racheplan. Wäre da nicht diese eine Unstimmigkeit.
»Wissen Sie, was ich nicht verstehe?«, fragte Karin, »Sie sitzen Ihrer Meinung nach 14 Jahre für jemand anderen im Gefängnis. Ihr Hass gilt aber dem Gericht, nicht demjenigen, der Ihnen das wirklich angetan hat.«
»Weil die Gerichtsverhandlung eine einzige Farce war. Wertlose Zeugenaussagen, ein Gutachter, der über keinerlei Sachkompetenz verfügte und ein ermittelnder Polizist, der log und nach der Verhandlung im Geld schwamm. Diese Leute haben fahrlässig mein Leben zerstört. In diese Richtung sollten Sie ermitteln, anstatt immer wieder denselben wegsperren zu wollen. Mir reicht es. Ich sage nichts mehr!«
Sie ließen Bartram zurück in die Zelle führen, wollten ins Büro. Durch die geöffnete Tür des Nebenraums erkannten sie Jack, der das Verhör offenbar mitverfolgt hatte.
»Was haltet ihr von Bartram?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Karin, »er glaubt, er kennt den Mörder seiner Frau. Aber das ergibt keinen Sinn. Warum sollte er sechs Menschen töten beziehungsweise einen Mord in die Schuhe schieben, wenn ihm die Identität des wahren Schuldigen bekannt ist?«
»Ein Genießer. Er hebt sich das Filetstück für den Schluss auf. Gut möglich, dass dem Mörder seiner Frau die Gründe der bisherigen Taten bekannt sind. Er sieht die Einschläge näher kommen. Bartram weidet sich an dessen Angst.«
Joshuas Gesichtsausdruck verriet Zweifel.
»Hm, wäre aber ein sehr
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