Willenlos
Verwaltungsangestellten bereits Feierabend. Die Telefonistin konnte ihm nicht weiterhelfen.
»Sie haben ihn!«, rief Karin, legte dabei das Telefon auf die Ladestation.
»Den Erpresser. Die Kollegen konnten ihn über die IP-Adresse ausfindig machen.«
Joshua wusste, wie nahe Karin dieser Fall ging. Er selbst hatte ihn bereits verdrängt, die Zuständigkeit den Kollegen überlassen. Karins Euphorie schmerzte ihn. Sie hatte ihm in allen Einzelheiten vom letzten Besuch bei Lisa Blankenagel berichtet. Die Festnahme dürfte den Komplizen nicht entgangen sein. Die einzige Chance bestand nun darin, den Täter unter Druck zu setzen. Er begleitete Karin zur Festung.
Bastian Lange vom KK 12 führte sie direkt zum Verhörraum. Joshua war erleichtert. Lange galt als Verhörspezialist.
»Dürfte nicht allzu schwierig werden«, bemerkte Lange, »wir haben in seinem Zimmer eine Menge Pillen gefunden. Nach dem Betäubungsmittelgesetz kriegen wir ihn schon mal. Der Vater des Jungen ist übrigens Geschäftsmann mit Sitz im Stadtrat, ich glaube, der hat mehr Angst um seinen Ruf als um seinen Jungen. Der Kerl macht mir schon seit Stunden die Hölle heiß«, Lange sah auf die Uhr, »wir müssen noch auf den Anwalt warten, sollte eigentlich schon hier sein.«
Auf einem der Korbstühle im Flur saß ein graumelierter Herr im Maßanzug. Er sprang sofort auf und lief schnellen Schrittes auf die Polizisten zu.
»Wie lange wollen Sie meinen Jungen noch festhalten?«
»Guten Abend, Herr Braun. Das wird der Richter entscheiden, es hängt auch von der Kooperationsbereitschaft Ihres Sohnes ab.«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Wegen der paar Fotos. Das Mädchen hatte es doch darauf angelegt!«
Karin ballte die Hände. Sie spürte, wie der steigende Puls ihren Körper erhitzte. Inzwischen war der Rechtsanwalt, ein korpulenter, weißhaariger Herr um die 60, erschienen. Nach einer kurzen Begrüßung verlangte er Einsicht in das Festnahmeprotokoll. Lange führte ihn in das dem Verhörraum angrenzende Zimmer. Karin setzte sich auf den Stuhl neben Braun.
»Ich hoffe doch sehr, dass Sie wenigstens Diskretion bewahren«, forderte er mit einem Seitenblick auf Karin. Joshua wollte seine Kollegin beruhigen, kam nicht mehr dazu.
»Sie stellen Forderungen? Ich höre wohl schlecht!«
Karin war aufgesprungen, ihre Stimme hallte von den kahlen Wänden zurück.
»Ein junges Mädchen ist auf hinterhältigste Art und Weise vergewaltigt und geschwängert worden, wird anschließend zutiefst gedemütigt und erpresst und Sie erlauben es sich, Diskretion zu fordern? Das ist der Gipfel der Unverschämtheit! Wir werden Ihren Jungen drankriegen wegen räuberischer Erpressung, illegalen Drogenbesitzes und Vergewaltigung. Und wenn nur eines der Bilder ins Internet gestellt wird, werde ich mich persönlich an die Medien wenden und den Fall öffentlich machen und wenn es meinen Job kostet, das schwöre ich Ihnen!«
Karin war bewusst, dass es schwer möglich sein würde, die Anschuldigungen sämtlich mit Beweisen zu untermauern. Ihre Drohung zeigte aber die erhoffte Wirkung. Braun schluckte, leichte Blässe breitete sich aus. Ihm war nur die offensichtlich harmlosere Version seines Sohnes bekannt.
»Was … was kann ich tun?«
»Die einzige Chance Ihres Sohnes besteht darin, sofort die Namen der Mittäter anzugeben, um Schlimmeres zu verhindern. In Verbindung mit einem umfassenden Geständnis könnte er das Beste aus der Lage herausholen. Ansonsten sehe ich schwarz, die Beweise sind erdrückend.«
Vor Brauns geistigem Auge schien sich der Untergang seiner gesellschaftlichen Stellung ins Meer der Bedeutungslosigkeit abzuzeichnen. Nervös nestelte er am untersten Knopf des Jacketts. Die Tür gegenüber wurde geöffnet, Bastian Lange betrat in Begleitung des Rechtsanwaltes den Flur. Braun sprang hoch.
»Dürfte ich vorher fünf Minuten mit meinem Sohn unter vier Augen reden?«
Das Gespräch zwischen Vater und Sohn war einseitig, überhitzt geführt worden. Im anschließenden Verhör kam Bastian Lange nicht über drei einleitende Sätze hinaus. Pascal Braun redete wie ein Wasserfall, gab an, selbst nicht an der Vergewaltigung beteiligt gewesen zu sein, sondern nur fotografiert zu haben. Die Erpressung war eine gemeinschaftliche Idee, um das Mädchen ruhigzustellen. Abschließend nannte er die Namen und Adressen von drei Freunden. Bastian Lange gab die Daten sofort an die Rufbereitschaft durch. Die Drogen hatten sie von einem Türsteher der
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