Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
triumphierend fügte er hinzu: „Der Würfel ist gefallen!“
Ich wusste sofort, dass er die Vorstandssitzung des Archäologievereins meinte und, dass er etwas ganz bestimmtes vorhatte. Was mich allerdings nervte war sein intellektueller Hochmut, denn die Übersetzung seines Spruches hätte er sich sparen können, der alte Klugscheißer. Nach all den Jahren in denen er mich mit seinen Zitaten, Aphorismen und sonstigen Sinnsprüchen belästigte, kannte ich sein, zugegebenermaßen, enormes Repertoire.
Und außerdem hatte ich das Zitat anders in Erinnerung, denn der alte Sueton schrieb in seinem „Göttlichen Julius“, womit er natürlich den großen und noch wesentlich älteren Caesar meinte: „ Eatur quo deorum ostenta et inimicorum iniquitas vocat. Iacta alea est !“, was mein gelehrter Futtergeber einmal mit „Dorthin führt der Weg, wohin die Zeichen der Götter und die Schandtaten der Feinde rufen. Geworfen ist der Würfel.“ übersetzt hatte. Aber machen wir keine große Affäre aus einem missglückten Dichterspruch, Tanner war eben noch nicht ganz auf der Höhe.
Wenig später, gegen halb sieben, packte er seine Sachen. (Ich hatte in der Zwischenzeit tatsächlich ein ganzes Würstchen verputzt, dass meinem geliebten Herrchen leider vom Pfannenwender gerollt war!) Unter anderem nahm er auch einen Stapel mit Papieren von seinem Schreibtisch und schritt zur Tür. „Auf geht’s Willi! Packen wir’s an!“
Wir brauchten für die kurze Strecke von zwölf Kilometern über eine halbe Stunde, da die Straßen wegen des starken Schneefalls und den frostigen Temperaturen spiegelglatt waren.
Im Gasthaus angekommen, begrüßte mich die Wirtin überschwänglich. Sie war ein besonders warmherziger Mensch und ich liebte sie. Ihr alter Dackel, der kaum mehr das Bein heben konnte, schaute nur kurz hoch, bevor er wieder auf seine zottelige Decke zurücksank. Er hatte seine besten Jahre zweifelsfrei schon hinter sich und sah keinen Grund mehr, sich mehr als nötig anzustrengen. Deshalb duldete er die Streicheleinheiten, die mir sein Frauchen zuteil werden ließ, mit stoischer Gelassenheit. Ich bekam einen Knochen, mit vielen Fleischstückchen dran und eine Schüssel Wasser. Sogar eine Wolldecke schob sie mir unter. Ich lehnte nicht ab und machte es mir gemütlich. Heute schien einer meiner Glückstage zu sein.
Im Versammlungsraum, einem urig eingerichteten Hinterzimmer der Kneipe waren schon einige Herren zugegen, unter anderem auch unser Freund George.
Er begrüßte Tanner überaus herzlich und verwickelte ihn sogleich in ein Gespräch über einen ungewöhnlichen Grabungsbefund in der Luxemburger Schweiz. Normalerweise machte ich mir nicht die Mühe dem Gespräch zu folgen, wenn die Herrn Archäologen fachsimpelten, doch an diesem Abend wollte ich nichts verpassen und hörte zumindest mit einem Ohr hin.
George erzählte von den Ausgrabungen in einer Höhle im malerischen Müllertal. Vor Jahren hatte er zusammen mit einem französischen Wissenschaftler eine Stelle dort erkundet und erste Artefakte aus mehreren prähistorischen Epochen geborgen. Systematische Ausgrabungen, die er mit Fachstudenten im letzten Sommer durchgeführt hatte, brachten George zufolge, höchst interessantes Material aus der Jungsteinzeit, der späten Bronzezeit und aus dem keltischen Kulturkreis ans Licht.
Er schilderte die technischen Schwierigkeiten bei den Arbeiten in diesem Terrain, auf engstem Raum und ohne Tageslicht. Keine seiner fachmännischen Heldentaten schien er auslassen zu wollen.
Mir fielen dabei ständig die Augen zu, und ich hoffte, dass die Sitzung bald eröffnet würde, doch als George in spitzbübischem Tonfall sagte: “Und jetzt pass auf, Tanner!“, war ich wieder hellwach.
George begann seine Rede mit entsprechenden Gesten zu untermalen: „Wir hatten eine wunderbare Schichtenabfolge, oben das jüngste Material, moderne Funde, ich vermute, dass die Höhle in den letzten 200 Jahren immer wieder von Schutzbedürftigen aufgesucht worden ist. Zuletzt waren es wohl einige Jugendliche die BilliBoy Kondome benutzt haben und vergessen haben ihren Müll wegzuräumen! Ich kann dir flüstern...!“ Er machte ein verschwörerisches Gesicht.
Tanner lächelte wissend und George fuhr fort: „Darunter, .... gut zu lesen, die eisenzeitliche Schicht, spätkeltisch, ganz ähnlich den Funden hier am Ringwall. Es folgte der bronzezeitliche und ganz unten..., über dem Fels die steinzeitliche Fundschicht! Alles wie es sich
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