Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Seite durch die wunderbare Hitze der Nacht und den heißen Duft subtropischer Blumen und Kräuter zum Parkplatz.
Oliver wurde klar, dass es nicht von langer Dauer sein würde, sein wunderbares neues Leben. Er musste nur ein einziges Mal etwas Falsches sagen. Wie oft hatte er schon erlebt, dass sich vor ihm ein leuchtender Pfad auftat! Wie oft war er danach plötzlich in die Finsternis gestürzt! Früher oder später würde er sich wieder einmal aus einer peinlichen Situation herausreden müssen. Die Leute glaubten, dass es ihm nicht peinlich war, aber es war ihm peinlich, und wie! Machte es etwa dem Kletterer nichts aus, abzustürzen, oder dem Segler, zu ertrinken? Selbstverständlich machte es ihnen etwas aus. Ihnen graute davor! Darum ging es – um das Risiko! Nichts ließ einen jeden Augenblick des Lebens so sehr genießen wie das Wissen, dass man im nächsten tot sein könnte. Und es gab immer die Hoffnung, während des Falls irgendwie eine überhängende Pflanze, im Untergehen ein vorbeischwimmendes Stück Treibholz zum Festhalten zu finden. »Ich war ein bisschen verwirrt, etc., etc. Vermutlich weil Sie die schönste Frau sind, die ich je gesehen habe, etc., etc. Einen Moment lang habe ich wirklich geglaubt, ich wäre tatsächlich, etc., etc.« Es gab immer die leise Hoffnung, dass es funktionieren würde. Soweit er sich erinnerte, hatte es bislang zwar nicht funktioniert, aber es gab keinen logischen Grund, warum die Zukunft immer so sein sollte, wie die Vergangenheit gewesen war.
Andererseits – o Gott! – würde sie vielleicht plötzlich merken, dass er Oliver Fox war! Reichte Oliver Fox’ Ruf bis nach Griechenland?
Und selbst wenn er damit durchkäme, hatte er möglicherweise nur eine Nacht bis zu Georgies Ankunft. Er würde dieses kurze neue Leben mit unbeirrbarer Intensität leben müssen.
Nikki sperrte ein Auto mit der Karosserie eines Busses und den Reifen eines riesigen Baggers auf. Sie lachte.
»Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt!« sagte sie.
Der vertraute erste Anflug eines gestörten Gleichgewichts durchfuhr Oliver so belebend wie ein Schluck Wodka.
»Warum?« fragte er. »Wie haben Sie sich vorgestellt, dass ich aussehe?«
»Na ja … so wie auf Ihrem Foto. In Ihrem Lebenslauf. Aber Sie sind viel … Ich weiß nicht …« Sie wollte überraschender, besser aussehend, wunderbarer sagen. »… jünger «, sagte sie.
Er dachte darüber nach. »Ja, weil ich es bin«, sagte er. »Jünger. Als damals.«
Sie lachte, ohne es zu verstehen. Er lachte gleichfalls. Auch er verstand es nicht.
9
Es lag auf der Hand, was passiert war. Die Besitzerin dieses fremden Koffers auf dem Förderband hatte versehentlich Dr. Wilfreds Koffer genommen.
Ja, erklärte Dr. Wilfred der dritten Amtsperson, an die er weitergereicht worden war, sein Koffer sah ziemlich ähnlich aus, er war auch schwarz mit einem Gepäckanhänger aus rotem Leder, und nein, er konnte nicht beschreiben, worin genau der Unterschied bestand, außer dass in dem Anhänger an seinem Koffer sein Name stand, und der lautete Wilfred. Dr. Norman Wilfred. W-I-L-F-R-E-D. Nicht »Annuka Vos«, was auf dem Anhänger an diesem Koffer stand. Zudem befand sich ein Schildchen an seinem Koffer, auf dem seine Adresse auf Skios vermerkt war.
Und die wäre?
Die wäre … Ja – was? Er hatte das Schildchen nicht selbst beschriftet, das hatte seine persönliche Assistentin getan. Es war irgendein Zentrum. Oder irgendein Institut. Irgendein Irgendwas. Irgendein Irgendwas für das Irgendwas von Irgendwas. Er hatte nicht geglaubt, die Adresse bei sich haben zu müssen, da er ja abgeholt wurde. Wenn er kurz hinausgehen könnte und die Person fragen, die ihn abholte … Ja …? Er dürfte nicht mehr zurück …?
Das war lächerlich. Er wusste genau, wie der Ort hieß, oder er hatte es gewusst, bis diese Chose hier angefangen hatte. Jeder in der gesamten zivilisierten Welt wusste ihn! Deswegen kamen die Leute überhaupt nach Skios. Er musste dort einen Vortrag halten. Schauen Sie – hier ist der Vortrag. Aber, so erklärte er dem Mann geduldig, er hatte einen sehr stressigen Tag hinter sich und musste viele andere Dinge im Kopf haben und während der letzten Monate war er in zahlreichen Irgendwas für das Irgendwas von Irgendwas gewesen.
Seine persönliche Assistentin hatte alles arrangiert. Er rief sie jetzt an, schauen Sie. Sie würde es ihm auf der Stelle sagen.
Vicki meldete sich nicht. Unglaublich, dass sie nie da war, wenn man sie brauchte.
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