Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
sie.
»Ich weiß nicht, wo ich bin!« sagte Georgie. »Ich bin irgendwo in einem Haus, es gehört irgendwelchen Leuten, hör zu, der Akku ist gleich leer, ich rufe dich wieder an, sobald ich ihn ans Netz angeschlossen habe – «
Doch sie sprach mit niemandem und nichts. Das Telefon war erneut ins Koma gefallen.
Sie holte das Ladegerät aus ihrem Koffer und fand eine geeignete Steckdose. Steckdose und Stecker jedoch wollten nicht miteinander kommunizieren, wie sie merkte, als sie versuchte, sie einander vorzustellen. Natürlich. Patrick war derjenige, der sich um Dinge wie Adapter kümmerte.
»Nein«, sagte Nikki, »ich meine, in welchem Land bist du überhaupt, denn dann könnte ich vielleicht, ich weiß nicht, die Polizei anrufen oder was …«
Doch sie merkte, dass sie mit sich selbst sprach. Sie hatte am Morgen bereits viermal versucht, Georgie anzurufen, und jetzt war Georgies Akku wieder leer. Sie konnte ihr schlichtweg nicht helfen.
Sie musste sich wieder ihrem anderen Sorgenkind zuwenden. Viermal hatte sie schon versucht, Dr. Wilfred anzurufen. Fünfmal war sie zu seinem Haus gegangen, um an die Tür zu klopfen. Viermal hatte sie aufgelegt, bevor der Anruf durchgestellt wurde, fünfmal war sie wieder umgekehrt.
Sie konnte nur an die Drahtzange denken. Und an die kleinen Wasserlachen auf der Terrasse vor ihrer Tür. Und die Nachtcreme auf Mrs. Topplers Gesicht. Und Dr. Wilfreds sanftmütiges, leicht schiefes Lächeln. Und den dunklen Wald auf den unteren Hängen des Papadopoulou-Massivs. Und Dr. Wilfreds lange Publikationsliste, seine Stellen und Auszeichnungen. Und die Drahtzange. Und die Creme. Die ganze Nacht hatte sie an diese Dinge gedacht. Sie würde Dr. Wilfred nie verzeihen. Sie würde sich selbst nie verzeihen.
Ihre Karriere war beendet. Die Wahl des Redners war ein verheerender Fehler gewesen. Sie hasste ihn.
Sie stand neben dem Tempel der Athene, das Telefon in der Hand, und schaute gedankenversunken auf die Tische auf dem Platz am Wasser, manche unter der großen Platane, andere im Schatten blauer Sonnenschirme. Das Frühstück wurde serviert. Ihr wurde klar, dass sie darauf wartete, ihn zum Frühstück kommen zu sehen.
Ein versprengtes Grüppchen von Leuten, die sich um einen Tisch scharten, erregte ihre Aufmerksamkeit. Alle blickten zu etwas hin, was mittendrin passierte … Er war es. Dr. Wilfred passierte.
Ihr Herz machte einen bangen Satz. Sie hastete den Weg hinunter zum Frühstück, um alle Missverständnisse aus der Welt zu schaffen und allen, die eventuell einen falschen Eindruck gewonnen hatten, klarzumachen, was für ein außergewöhnlicher Mensch Dr. Wilfred war.
»Fred-Toppler-Stiftung«, sagte Elli zum zwölftenmal an diesem Morgen. »Mit wem draf ich Sie verbinden?«
Sie schob das Fenster ihres kleinen Kabuffs auf, versuchte, mit dem linken Ohr zu hören, was ihr der Postbote auf griechisch sagte, während er ihr die Post und mehrere Quittungen zur Unterschrift reichte, und mit dem rechten Ohr das englische Durcheinander zu sortieren, das durch das Headset über sie hereinbrach.
»Entschuldigung, wer ist das, bitte …? Oh, Dr. Wilfred! Dr. Wilfred …? Ja, hallo, guten Morgen. Sie haben gut geschlafen? Sie haben Frühstück gefunden …?
Nein? Kein Frühstück …? Oh …
Sie sind wo …? Sie wissen nicht, wo …? So, was, Sie wollen kein Frühstück …? Oh, Entschuldigung – Sie wollen doch Frühstück …
Okay … Okay, okay, okay … Sie tun einfach, was ich gesagt habe. Sie gehen Weg geradeaus und Sie sehen Tische, Stühle, Leute, Kaffee … Nein …? Ja! Neben Meer. Sie sehen das Meer hoffentlich …! Sie sehen nicht das Meer? Kein Meer …? Nur Bäume …? Und was …? Ziegen …?
Okay, jetzt ich verstehe. Das ist passiert, Dr. Wilfred. Sie sind falschen Weg gegangen! Ich habe gesagt: ›Gehen Sie Weg hinunter …‹ Okay, gut, Sie sind Weg gegangen … Aber, Dr. Wilfred, Sie sind falschen Weg gegangen!
Sie tun jetzt das. Sie gehen zurück, wo Sie angefangen haben … Den Hügel hinauf, ja …? Den ganzen Weg den Hügel hinauf. Und dann Sie fangen wieder an mit richtigem Weg. Okay …? Gern geschehen.«
18
»Wilson Westerman …« »Darling Erlunder …« »Peter Comax …«
Die Wolke der Namen, die über Olivers Kopf hing, verknäulte sich zunehmend und löste sich immer mehr von den lächelnden Gesichtern und den ausgestreckten Händen.
»Dickerson und Davina …« »Und ich bin Smoky …« »Chuck … Chuck wer? Chuck Niemand! Einfach Chuck …!«
Weitere Kostenlose Bücher