Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
und uns Schritt für Schritt durch Ihre Berechnungen führen?«
»Nun …« sagte Dr. Wilfred.
Es gab einen einfachen Ausweg aus der Frage, wie aus allen anderen Fragen auch, aber aus einem unerfindlichen Grund fand ihn Dr. Wilfred nicht. Er schien ziemlich abrupt das Ende des goldenen Pfads erreicht zu haben, der sich vor ihm erstreckt hatte.
Alle um den Tisch Versammelten sahen ihn an. Keiner hatte ein Wort der Frage verstanden, und sie freuten sich auf die Brillanz, mit der Dr. Wilfred aufwarten würde, auch wenn sie von der Antwort ebenfalls kein Wort verstehen würden.
»Nun«, sagte Oliver, denn jetzt wurde Dr. Wilfred ziemlich schnell wieder zu Oliver.
»Ich unterbreche nur ungern«, sagte eine sanfte und höchst willkommene Stimme. Nikki trat vor. »Aber ich muss die beiden Herren bitten, technische Fragen später zu diskutieren. Leider muss ich Dr. Wilfred entführen, auf ihn wartet eine ziemlich wichtige Besprechung.«
19
Auf den Pergolen im schattigen Garten türmte sich die Plumbago so hoch und blau wie der Himmel darüber. Nikki blickte hinauf und fühlte sich so heiter und glücklich wie die Blumen. Eigentlich hatte sie vierzig verschiedene Dinge zu erledigen. Doch sie tat nichts davon. Sie schlenderte mit Dr. Wilfred durch den schattigen Garten.
»Das ist die wichtige Besprechung, an der ich teilnehmen muss, nicht wahr?« sagte Dr. Wilfred.
»Es ist wichtig«, sagte sie. »Ich muss Ihre Termine mit Ihnen besprechen.«
Sie konnte es nicht fassen, wie unglaublich lässig er mit seiner Berühmtheit umging. Wenn man ihn so erlebte, hätte man nie gedacht, dass er so viel wusste und so viel erreicht hatte. Er war völlig anders als alle früheren Ehrengäste. Und alle liebten ihn. Natürlich. Wie sollten sie nicht? Vom ersten Augenblick an, als sie ihn im Flughafen gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass sie ihn lieben würden. Und sie war es gewesen, die vorgeschlagen hatte, ihn einzuladen. Er war ihre Entdeckung.
Sie ertappte sich dabei, dass sie ihm von ihrer Kindheit erzählte. Sie hatte immer Künstlerin werden wollen, sagte sie – in ihr hatten sich so viele intensive Gefühle gerührt, als sie sechzehn gewesen war, und die Sehnsucht sie auszudrücken war in ihr aufgestiegen wie im Frühling der Saft in der Plumbago. Irgendwie hatte sie jedoch statt dessen Kunstmanagement studiert. Und dann, Schritt für Schritt, über Jobs in provinziellen Kunstgalerien und bei Wanderbühnen, hatte sie sich zu der Stelle hochgearbeitet, die sie jetzt innehatte.
»Eigentlich«, sagte sie, »ist das, was ich tue, nicht so ganz anders als Ihre Arbeit. Ich weiß, dass Sie mit Milliarden Pfund zu tun haben und Entscheidungen fällen, die die Zukunft der ganzen Welt betreffen. Während ich hier jedes Jahr nur mit ein paar Millionen Dollar spielen kann. Aber ich bestimme, wer sie kriegt und wer nicht! Ich bin diejenige, die für Struktur sorgt. Wissenschaftliche Forschung ist wahrscheinlich ein bisschen wie Kunstschaffen, oder? Ich meine … chaotisch . Man weiß nicht wirklich, was passieren wird, bis es passiert ist.«
»Stimmt«, sagte Dr. Wilfred. » Ich jedenfalls weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.«
»Es ist, wie wenn Kinder in einem Sandkasten spielen. Die Kinder haben großen Spaß. Und es ist pädagogisch wertvoll. Aber jemand muss sich um den Sandkasten kümmern. Die Katzen davon abhalten, dass sie ihn als Klo benutzen, und die Kinder daran hindern, dass sie den Sand ins Haus tragen. Ihnen den Schmutz aus den Haaren waschen und aus den Nasen holen. Ist es nicht so?«
»Wissenschaft und Wissenschaftler! Sind mir ein totales Rätsel!«
»Kunst und Künstler auch. Manche von den Schriftstellern, die hier waren!«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Sie fuhr mit der Hand durch die Blüten in der Blumenrabatte. Ein Schauer glitzernder Tropfen, der von der nächtlichen Bewässerung noch an den Blättern und Blüten hing, regnete herab.
»Orodigia«, sagte er. »Blühender Tiegelglanz. Jacantha. Schmidtia. Peloponnesisches Gänseblümchen.«
»Mein Gott, sind Sie obendrein auch noch Gärtner?«
»Natürlich nicht. Ich erfinde es im währenden. Wie alles andere auch.«
Sie gingen eine Weile schweigend weiter.
»Wie auch immer«, sagte sie, »ich habe Pläne für die Zukunft. Im Augenblick kann ich nicht viel tun. Christian ist noch im Amt. Der Direktor. Sie haben ihn noch nicht kennengelernt. Er zeigt sich überhaupt nicht mehr. Auf diese Art übt er Macht aus – indem er unsichtbar ist wie Gott
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