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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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»Hallo? Ja?«
    »Nikki, ich weiß, dass ich dich geweckt habe«, sagte Georgie, »und es tut mir schrecklich leid, und ich weiß, dass du dort, wo du bist, nichts unternehmen kannst, und ich habe mich auch schon beruhigt, ich bin nicht mehr in Panik, aber ich erreiche niemand, und ich muss mit irgend jemand sprechen, weil ich ihn draußen vor der Tür höre, er hämmert dagegen, er schreit Drohungen, ich bin im Bad, er wird die Tür eintreten.«
    Irgendwann, während Nikki sich bemühte zu verstehen, was geschah, und allmählich begriff, dass der Mann, zu dem Georgie sich ins Bett gelegt hatte, nicht der war, den sie erwartet hatte, während sie ihr Mitgefühl zum Ausdruck brachte und die angeblich ruhige Georgie weiter beruhigte und ihr mit praktischen Ratschlägen beistand, wie sie durch die solide gebaute Tür mit dem unerwarteten Bettgenossen verhandeln und ihn seinerseits beruhigen sollte, meinte sie ein Kratzen an der Terrassentür zu hören. Doch als der Akku in Georgies Telefon endlich leer war und Nikki zur Tür gehen konnte, war draußen nichts zu sehen.
    Außer vielleicht eine oder zwei kleine Wasserlachen auf dem gefliesten Terrassenboden, die in der heißen Nachtluft bereits trockneten.
    Kaum hatte der Wachmann sein Zimmer aufgeschlossen und das Vorhängeschloss an seinem Koffer geknackt, stellte Oliver fest, dass er als Dr. Norman Wilfred eine bislang unbekannte Vorliebe für reinseidene Unterhosen und reinseidene Schlafanzüge hatte. Er war ein stattlicherer Mann, als ihm bewusst gewesen war; die Slips und die Schlafanzughosen hatten einen Taillenumfang von einem Meter. Zudem besaß er eine Badehose der gleichen Größe. Sie war mit lächelnden Delphinen bedruckt und bemerkenswert schwierig anzubehalten.
    Nachdem er fünfzig Längen in einem kleinen beleuchteten Pool in der Nähe seines Bungalows geschwommen war, um seinen Energiestau abzubauen, befand er sich in einem relativ gelassenen Zustand. Nach den ersten zwanzig Längen hatte plötzlich die Hoffnung von ihm Besitz ergriffen, dass Nikki ihm seinen Fehler vergeben und die Terrassentür wieder geöffnet hatte. Doch als er vor Demokrit stand und an der (noch immer offenen) rechten Verandatür vorbeischlich, nahezu ohne Wasser zu verspritzen oder feuchte Fußspuren zu hinterlassen, fand er die linke Terrassentür fest verschlossen vor. Er klopfte und drückte dagegen und spähte hinein. Er meinte, sie im Dunkeln auf der Bettkante sitzen zu sehen, aber sie hatte sich nicht erweichen lassen.
    Nun, es gab immer noch morgen. Der goldene Pfad erstreckte sich weiterhin vor ihm. Bis der andere Mann, der Anspruch auf seine Identität erhob, auftauchte, war er Dr. Norman Wilfred. Er wusste alles, er hatte alles gemacht, er war unwiderstehlich. Und wenn sein schwer fassbarer dicker Doppelgänger zufälligerweise nicht rechtzeitig für seinen Vortrag erschien … Er lachte über diesen Gedanken, während er schwamm. Was würde er sagen? Er hatte keine Ahnung. Irgend etwas würde ihm schon einfallen. Irgend etwas würde sich ergeben. So war es immer. Die Welt würde sich weiterdrehen, so oder so.
    Einundvierzig Längen. Zweiundvierzig.
    Aber wie unendlich ungewiss das Leben war! Es konnte so sein oder aber anders oder ganz anders, als irgend jemand es sich vorstellen konnte – und alles hing ab von dem endlos in Bewegung befindlichen Treibsand, wer wer war und wann er wer war und wo. Wer Oliver Fox und wer Dr. Norman Wilfred war. Ob man vor der Tür stand und hineinschaute oder von drinnen hinaussah.

16
    Als Oliver am nächsten Morgen aus Parmenides trat, hatte sich das Chaos der nächtlichen Landschaft aufgelöst, die Sinnhaftigkeit der Welt war wiederhergestellt, nur frischer, grüner, leichter, glücklicher als je zuvor. Es war bereits heiß, aber auf angenehme Weise. Vor seinen Füßen erstreckte sich nahezu winselnd und mit dem Schwanz wedelnd wie ein Hund, der geliebt und ausgeführt werden will, ein ordentlich gepflasterter Weg, der im Zickzack hinunterführte zu einem perfekt komponierten Bild: glasklares blaues Wasser, weiße Boote, blaue und weiße Häuschen. Sein Königreich, das nur darauf wartete, dass er es in Besitz nahm und für sich beanspruchte.
    Unten am Wasser sah er blaue Sonnenschirme und weiße Kellnerjacken, die dazwischen herumliefen, sich vorbeugten, um Bestellungen aufzunehmen, Tabletts abzustellen, Saft und Kaffee auszuschenken. Frühstück! Ja! Er hatte nichts mehr gegessen seit dem Economy-Sandwich im Flugzeug, und er war

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