Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
und nichts tut. Manche zweifeln sogar an seiner Existenz. Ich habe das Gefühl, dass er nicht mehr lange hier sein wird. Ich sollte es Ihnen wahrscheinlich nicht sagen, aber ich glaube, Sie sind der letzte Nagel, den ich in seinen Sarg schlage.«
Sie brach einen tiefhängenden Zweig violetter Blüten ab.
»Jacantha?« sagte sie.
»Wenn Sie mögen.«
Sie steckte den Zweig in ein Knopfloch seines Hemds.
»Jetzt zu Ihren Terminen. Heute morgen sollten Sie sich einfach noch weiter unters Volk mischen, wenn Sie es ertragen. Ja? Mittags, wie Sie wissen, Drinks mit Mrs. Fred Toppler. Mittagessen mit den anderen Gästen. Nach dem Mittagessen – «
»Eine kleine Siesta? Um zu überprüfen, ob es von innen wirklich die rechte Terrasse ist?«
»Ich muss zum Flughafen und Mr. Luft abholen.«
»Mr. Luft?«
»Wellesley Luft! Für Ihr großes Interview. Es steht in Ihrem Programm.«
»Ach so, natürlich.«
»Und morgen um 10 Uhr 45 fliegen Sie zurück nach London. Danach, nehme ich an, werden wir uns nie wiedersehen.«
»Aber zuerst noch einmal schön ausschlafen.«
»Zuerst Ihr Vortrag.«
»O ja. Der Vortrag.«
Auf der jetzt mit Teppichen bedeckten Piazza flog ein weißes Tischtuch nach dem anderen in die sonnige Luft, breitete die Flügel aus und ließ sich wie ein landender Vogel auf einem der ramponierten Tische vom Partyservice nieder. Die Kellner und Kellnerinnen der Agentur, die über Nacht mit der Fähre aus Athen gekommen waren, stürzten sich auf sie und rangen sie nieder. Der ganze Platz verwandelte sich vor Dr. Wilfreds Augen in einen Bankettsaal im Freien.
»Das ist die Agora«, erklärte ihm Nikki. »Der alte Marktplatz. Sie werden genau dort sitzen, wo wir jetzt stehen, am selben Tisch wie Mrs. Toppler und Mr. Papadopoulou und ihre Gäste. Es kommen ziemlich viele von Mr. Papadopoulous Geschäftspartnern.
Wir essen bei Einbruch der Dunkelheit. Am Ende des Essens werden nur noch die Kerzen auf den Tischen Licht spenden.
Und dann werden die kleinen Scheinwerfer dort oben eingeschaltet, und Mrs. Toppler wird aufstehen und Sie vorstellen. Hoffentlich habe ich keine Fehler in ihre Rede hineingeschrieben. Sie kann natürlich beim Vorlesen Fehler machen, weil sie ihre Brille nicht gern aufsetzt.
Dann wird der Oberkellner das Rednerpult und die Mikrofone hierher tragen, wo Sie jetzt stehen.«
Er stand vor den noch imaginären Mikrofonen und dem Rednerpult, nahezu geblendet von den imaginären Scheinwerfern, die ihn aus der imaginären Dunkelheit anstrahlten. Er hatte es nicht eilig. Er wartete, dass das imaginäre Publikum verstummte. Und dann …
»Und dann«, sagte Nikki. »Szientometrie!«
»Szientometrie? Was ist Szientometrie?«
»Worüber Sie reden werden! Oder etwa nicht? Das haben wir angekündigt. Innovation und Governance: das Versprechen der Szientometrie . Sie wollen doch nicht das Thema ändern, oder?«
»Nein, nein. Szientometrie. Großartig.«
»Ich kann es gar nicht erwarten zu hören, was Sie sagen werden!« sagte Nikki.
»Ich auch nicht«, sagte Dr. Norman Wilfred.
»Und dann endlich«, sagte Dr. Norman Wilfred, »nach dem Vortrag …«
Sie hatten die Agora verlassen und standen nun in einem Pavillon mit Blick über das Meer. Er neigte sich langsam zu ihr und lächelte sein schiefes Lächeln. Sie legte ihm den Finger auf die Nase und schob ihn sanft von sich.
»Ein Teil Ihres Publikums kommt gerade an«, sagte sie und schaute hinunter zum Wasser.
Ein Boot, das aussah wie ein Miniaturkreuzfahrtschiff, ging vor Anker. Auf dem Heck stand in gigantischen Chromlettern, deutlich lesbar auch von dort, wo sie standen: »Rusalka, Sewastopol«.
»Oleg Skorbatow«, sagte Nikki. »Sie haben in den Zeitungen von ihm gelesen. Und es stimmt alles, was Sie gelesen haben. Reich und ruchlos. Was Mr. Papadopoulou für Athen ist, ist Mr. Skorbatow für Moskau. Es werden noch mehr Yachten kommen. Aus Sizilien, Ägypten, dem Libanon. Von überall, wo Mr. Papadopoulou Geschäfte macht. Und auf dem Helipad dort hinter dem Wintergarten werden Hubschrauber landen. Privatflugzeuge auf dem Flughafen. Und ich werde den ganzen Tag vom Meer zum Flughafen fahren, vom Flughafen zum Helipad. Nur damit die Leute Sie reden hören können.«
»Ich werde mir was Gutes einfallen lassen.«
Sie lachte. »Mir gefällt, wie locker Sie sind.«
»Und mir gefällt, wie ernst Sie alles nehmen.« Er beugte sich wieder zu ihr.
»Zurück an die Arbeit«, sagte sie. »Gehen Sie und lassen Sie sich wieder umschwärmen …
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