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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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gewesen war. Gegenüber seiner alten Persona hatte er viele negative Gefühle gehegt, für seine neue hegte er nur positive. Er genoss seinen Ruf und seine Bedeutung. Er war stolz auf seine Errungenschaften, worin immer sie bestanden. Er kam sich vor, als wäre er in ein ansehnliches neues Haus gezogen, in dem Platz war für mehr Möbel und neue Bilder an den Wänden, in dem es einen geräumigen Dachboden und Keller gab, um das unerwünschte Gerümpel der Vergangenheit zu lagern. Es war, was Immobilienmakler ein stattliches Domizil nannten, und das Leben darin war ein beständiges Abenteuer, eine Herausforderung, die das Beste aus ihm herausholte. Auch Ideen und Ansichten schien es darin zu gefallen. Sie nutzten die Gelegenheit, auf ihn herabzuregnen wie selten zuvor in seinem alten Haus.
    Ideen zum Klimawandel zum Beispiel, Ansichten zur Stammzellenforschung, Gedanken zur genetischen Manipulation von Nahrungsmitteln. Über keins dieser Themen hatte er in seinem alten Leben auch nur eine Sekunde nachgedacht. Jetzt mussten die Gesichter um ihn herum sie nur erwähnen und ihm ehrfürchtiges Schweigen für eine Antwort zugestehen, und schon äußerte sich eine Antwort – und oft von einer Orginalität und orakelhaften Tiefgründigkeit, die sie eindeutig erstaunte. Ihn auch. Dr. Norman Wilfred glaubte, stellte Dr. Norman Wilfred fest, dass der Klimawandel das Erlernen von Fremdsprachen förderte. Stammzellen waren wie die kleinen silbernen Kügelchen, mit denen die Geburtstagskuchen von Kindern verziert waren. Genmanipulation erinnerte ihn an die Versuche seiner exzentrischen Tante Jane, von der er noch nie zuvor gehört hatte, ihren vier Katzen die Liebe zur Poesie beizubringen.
    Einen Moment lang, als die Leute diese schlichten, aber geheimnisvollen Aussagen hörten, schienen sie einen Blick auf eine Bedeutung zu erhaschen wie einen Blick auf einen Hauch Gold in einer flüchtigen Lücke in den hoch und komplex aufgetürmten Kumuluswolken der Welt. Die Bedeutung verschwand so rasch wieder wie das flüchtige Gold und war ebenso transzendent.
    Das Gespräch wandte sich dem Kosmologischen und dann dem Theologischen zu. Was war dem Urknall vorausgegangen? Gestand er Gott eine Rolle in der Kosmologie zu? Hatten die Naturgesetze Gott eingeschränkt, oder hatte Gott die Naturgesetze einfach so geschaffen? Gab es andere Universen?
    Und jetzt wurde Dr. Wilfred, da er eine Art Wissenschaftler zu sein schien, etwas technischer. Gemäß seiner persönlichen Erfahrung, sagte er, sei es möglich, etwas aus Nichts zu erschaffen, und zwar indem man einfach entschied, dass dem so war. Was war dem Urknall vorausgegangen? Nichts. Gott hatte es einfach knallen lassen, und es hatte geknallt. Peng – ja, und da, zwischen allem anderen waren die Naturgesetze. Und vierzig andere Universen. Eine Million. Unendlich viele.
    Und dann kam die uralte Kamelle: Wenn Gott notwendig gewesen war, um all das zu erschaffen, wie war Gott entstanden? Ganz einfach, meinte Dr. Wilfred. Er hatte sich auf genau die gleiche Weise erschaffen. Mit einem Knall. Einem noch größeren Knall wahrscheinlich, obwohl das empirisch schwer nachzuweisen war. Er hatte einfach gesagt, dass er Gott war, und er war es.
    Einen Moment – wer hatte gesagt, dass er Gott war? – Niemand hatte gesagt, dass er Gott war. Nichts . Das war das Schöne an der Erklärung. Es war schlicht ein extremer Fall dessen, wovon Dr. Wilfred sprach. Dessen, was er erschuf, wie Gott es auch getan hatte, einfach indem er darüber sprach.
    Nach dieser Unterhaltung herrschte Schweigen, während alle über den Tiefsinn dessen, was Dr. Wilfred gesagt hatte, nachdachten und sich über ihr Glück freuten, dass er sich höchstpersönlich in ihrer Mitte befand. Und das Haar hing ihm auf so hinreißende Weise in die sanften braunen Augen.
    Das gleiche gilt für meine Erfahrungen als Finanzberater, dachte Chuck Friendly, der zweitreichste Mann im Staat Rhode Island. Auf genau die gleiche Weise habe ich, auch ohne göttliche Macht, Wert geschaffen, wo zuvor kein Wert existierte.
    Und er ist noch ein Kind! dachte Mrs. Chuck Friendly, die zweitreichste Frau. Ich wünschte, ich könnte ihn mit nach Hause nehmen und mich ein bisschen um ihn kümmern. Ihn herumzeigen, ein paar Leuten vorstellen. Ein paar Hemden und Hosen für ihn kaufen, die ein bisschen besser passen als die, die er trägt und die ihm mehrere Nummern zu groß sind. Ihn ein bisschen verwöhnen. Ihn aufpäppeln. Ihm viel persönlichen Freiraum

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