Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
geben, natürlich, damit er seine Arbeit fortsetzen kann …
Doch nicht alle waren so beeindruckt von Dr. Wilfred. K. D. Clopper zum Beispiel, der sein Geld mit dem landesweiten Verkauf von Golfwagenkonzessionen verdiente, war der Meinung, dass alles wie vollkommener Humbug klang, aber andererseits klang fast alles, was er hörte, wie Humbug, und er hatte gelernt, seine Meinung für sich zu behalten, wenn er vermeiden wollte, dass Mrs. Clopper ihn später deswegen zur Rede stellte.
Wilson Westerman hatte nicht einmal gedacht, dass es Humbug war. Er hatte sich überhaupt keine Meinung gebildet, weil er verzweifelt versuchte zu entscheiden, ob er seine Vorzugsaktien der Manganindustrie verkaufen sollte. Mrs. Wilson Westerman hatte sich dagegen überlegt, ob sie sich einen neuen Tai-Chi-Lehrer zulegen sollte.
Das geradezu unerhört englische Paar, Cedric und Rosamund Chailey, hatte sich still davongeschlichen, als sich das Gespräch Gott zuwandte. Es schien unhöflich, dabeizusein, wenn ein so amerikanisches Thema diskutiert wurde.
»Seltsamerweise«, sagte Cedric Chailey zu seiner Frau, als sie zu ihrem Bungalow gingen, »waren Norman Wilfred und ich auf demselben College.«
»Dann werdet ihr ja was zu besprechen haben.«
»Er war ein Jahr unter mir. Ich kannte ihn nicht gut.«
»Du hättest ihn daran erinnern sollen.«
»Das wollte ich. Komisch ist nur, dass er nicht Norman Wilfred ist.«
» Nicht Norman Wilfred?«
»Der da? Nein. Überhaupt keine Ähnlichkeit.«
»Du meinst, das ist ein anderer Norman Wilfred?«
»Offenbar ist es derselbe. Ich habe seine Biographie in der Broschüre nachgelesen.«
»Er ist es also doch?«
»Aber nicht er.«
»Komisch.«
»Das dachte ich auch.«
Er wartete, denn Mrs. Chailey war stehengeblieben, um den Duft eines tiefhängenden Zweiges blauer Blüten einzuatmen.
»Himmlisch!«
»Himmlisch.«
Sie gingen weiter.
»Wirst du es jemand sagen?« fragte Mrs. Chailey.
»Ich weiß nicht. Was meinst du? Wäre ein bisschen unangenehm. Ich will keinen Ärger verursachen.«
Mrs. Chailey war wieder stehengeblieben, um eine Katze zu streicheln, die aus dem Gebüsch gekommen war.
»Wie auch immer«, sagte sie. »Splitter und Balken. Ich bin auch nicht Mrs. Chailey.«
»Stimmt.«
Er blieb stehen und schaute sich um. Auch Mrs. Chailey blieb stehen und schaute ihn an.
»Was?« sagte sie.
Mr. Chailey nahm ihre Hand und küsste sie. Sie lächelte ihn an.
»Und du«, sagte sie, »bist nicht immer Mr. Chailey.«
»Pst, mein Schatz«, sagte Mr. Chailey. »Das weißt du doch gar nicht.«
21
Hoch oben in dem Haus namens Empedokles, hinter stets geschlossenen Fensterläden und ewig heruntergelassenen Jalousien, saß Christian Schneck, der Direktor der Stiftung, im Schneidersitz auf dem Boden, in sein Gebetstuch gewickelt. Das strähnige graue Haar reichte ihm bis zu den Schultern. Sein Gesicht, erhellt nur von den kleinen bunten Lichtern des Schreins auf dem niedrigen Tisch in der Mitte des asketisch leeren Zimmers, war von tiefen Falten durchzogen und ausgemergelt. Er hörte schweigend, ausdruckslos zu, während sein Assistent Eric Felt ihm über den Gastredner der Stiftung Bericht erstattete.
»Er hat dichtes blondes Haar«, sagte Eric Felt. »Er streicht es sich aus den Augen und lächelt. Er lächelt die ganze Zeit. Er gehört zu der Sorte Wissenschaftler, die im Fernsehen auftritt. Ein Star. Ein Popularisierer. Spielt Gott eine Rolle in der Physik? So Zeug. Witze. Paradoxe. Pseudotiefsinn. Ziemlich genau der Hochstapler, den man von Nikki Hook erwartet.«
Eric Felt war nicht nur Christians Assistent. Er war sein Partner und Vertrauter. Sein Verbündeter im Kampf gegen Nikki, um zu verhindern, dass sie alles zerstörte, wofür Christian stritt, seitdem er von Dieter übernommen hatte: einwandfreie europäische intellektuelle Standards, die Ernsthaftigkeit, die er stets wortlos verkörpert hatte. Da Christian dieser Tage nicht sprach, oblag es Eric, gegenüber der Welt die Bedenken zum Ausdruck zu bringen, die Christian verspürte. Und da Christian sein Zimmer nicht mehr verließ, war Eric nicht nur seine Stimme, sondern auch seine Augen und Ohren. Heute morgen hatte er unbemerkt hinter den Gästen, die sich um Dr. Wilfred scharten, gelauert, denn er wusste, wie sehr sich Christian wegen Nikkis Wahl Sorgen machte. Es war vielleicht ein Beweis für Dr. Wilfreds Anziehungskraft, dass niemand Eric bemerkt hatte, obwohl er mit seinem Bauch so aggressiv die Leute anrempelte. Er
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