Willkommen im sonnigen Tschernobyl
Simples wie Boote mit Kühlungen an Bord, die den Fischern erlaubten, länger auf dem Wasser zu bleiben, bedeutete eine starke Belastung für die Fische im Amazonas.
Ob wir noch ein Bier wollten?
In Gils Augen hatte die Ausbeutung jedoch auch eine Kehrseite. »Meine Arbeit ist viel interessanter, seit sie angefangen haben, den Amazonas zu zerstören«, sagte er. »Normalerweise mache ich Touren mit Naturliebhabern, aber seit man sich mehr um die Erhaltung des Amazonas kümmert, arbeite ich zunehmend mit Leuten wie euch, die wegen der Umweltprobleme kommen.« Er war ein Vorreiter des Umweltverschmutzungstourismus.
Doch seinen Lebensunterhalt verdiente er durch die Kreuzfahrtschiffe. Während der Saison fuhren Schiffe mit Hunderten Touristen von der Flussmündung nach Manaus und legten einen eintägigen Zwischenstopp in Santarém ein.
»Das Kreuzfahrtgeschäft ist wunderbar«, sagte Gil. »Die Leute, die hierherkommen sind alt und stinkreich. Aber cool, echt cool. Jeder, der zum Amazonas kommt, ist cool.«
Mir waren ein paar Touristen mit Ferngläsern in der Hand aufgefallen, die auf einem Ausflugsdampfer vor dem Ufer herumfuhren. Kreuzfahrtschiffe können eine Stadt ruinieren. In Juneau, wo mein Vater lebt, ist die gesamte Innenstadt von Kreuzfahrtpassagieren und dem abgeschmackten Kommerz, der sie umgibt, überflutet. Doch so weit war es hier noch nicht.
Gil stellte sein Bier ab und rief: »Ich liebe Puffs!«
Ich wusste nicht, was uns zu dem Thema geführt hatte, aber da waren wir nun.
Für einen Augenblick wurde er ernst. »Wie wir die Frauen in diesem Land behandeln, ist entsetzlich .« Dann hellte sich seine Miene wieder auf. »Wie auch immer. Da gibt es diesen Puff in Manaus …«
Sollte ich jetzt nicken? Oh ja … Puffs!
Unser Gastgeber fuhr fort, überging unser Unbehagen und sagte, man könne ein Mädchen für zwanzig Reais – ungefähr zehn Dollar – bekommen. Noch eine Form der Ausbeutung in Amazonas, eine, bei der Gil sich nicht scheute, mitzumachen.
Zwei junge Frauen liefen Arm in Arm an uns vorbei in den Park. Gil versicherte uns, die Mädchen, die an seinem Haus vorbeigingen, seien die schönsten der Welt. »Ihr werdet die Mädchen hier lieben. Sie sind unglaublich.« Aus Angst, er könne auf die Idee kommen, uns vorzustellen, behaupteten Adam und ich, wir hätten beide eine Freundin. Irgendwie war das auch in meinem Fall die Wahrheit. Aus unerfindlichen Gründen lebte ich immer noch mit der Frau Doktor zusammen.
Es war dunkel. Der Park hatte sich mit jungen Paaren, Familien und Jugendlichen gefüllt. Kinder tobten über den Spielplatz. Auf dem Basketballplatz wurde Fußball gespielt. Gil war philosophisch geworden. Er sei so glücklich zu leben, sagte er. Seine Dankbarkeit war merkwürdig speziell. An erster Stelle war er nämlich dankbar für sein Surfbrett aus Kohlenstofffaser, ein wahres Wunderwerk der Technik.
»Mein erstes Board hat eine Tonne gewogen, aber dieses hier wiegt nur zehn oder 15 Kilo«, sagte er. »Dafür bin ich so dankbar. Außerdem bin ich dankbar, dass ich 46 bin und viele kleine, blaue Pillen bekomme, die mir zu einer unglaublichen Erektion verhelfen.«
Adam verschluckte sich an seinem Bier.
»Kein Viagra, Mann«, fuhr Gil fort. »Von Viagra bekommt man eine starke Erektion, aber er wird dadurch sehr dick, wisst ihr?« Er machte eine Geste. »Sehr dick. Diese kleinen, blauen Pillen kaufe ich hier um die Ecke. Sie kosten so gut wie nichts . Man nimmt eine und bekommt eine echt krasse Erektion. Habt ihr diese Pillen noch nie genommen?«
Hatten wir nicht.
»Das sind die beiden Dinge, für die ich zurzeit so dankbar bin«, meinte er.
»Kohlenstofffaser und kleine, blaue Pillen«, fasste ich zusammen.
»Genau«, sagte Gil und hielt zwei Finger hoch. Seine Augen wurden groß, als ihm auffiel: »Es gibt nichts Drittes! AAAGGHH! «
Wir brachen auf. Seit wir in New York losgefahren waren, hatten wir uns kaum ausgeruht. »Bleibt doch!«, rief Gil. Aber dann gab er nach, brachte uns zu unserem nahe gelegenen Hotel und beschloss, sich noch um die Ecke eine blaue Pille zu besorgen.
»Heute Nacht werde ich echt krassen Sex haben«, sagte er. »Danke für diesen herrlichen Tag!«
*
Der Highway BR -163 beginnt in Cuiabá, am südlichen Ende des brasilianischen Bundesstaats Mato Grosso, und führt über 1 500 Kilometer in den Norden, geradewegs durch den Amazonasregenwald. Dort ist der in den frühen 1970ern gebaute Highway immer noch größtenteils unbefestigt und
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